Das Nachtsichtgerät im All

Die NASA bereitet den Start des WISE-Satelliten vor, einem hochempfindlichen Infrarot-Weltraumteleskop. Das Teleskop ist unter anderem in der Lage, grosse Planeten jenseits des Kuipergürtels zu entdecken.

Manchmal sind es die kleinen Raumsonden, die unser Weltbild entscheidend prägen. Abseits vom Rummel um milliardenteure Starprojekte wie das Weltraumteleskop Hubble oder die Saturnsonde Cassini verrichten sie ihre Arbeit und klären wichtige Fragen. Die Raumsonde WMAP, die den Mikrowellenhintergrund des Universum so exakt wie nie zuvor vermessen hat, etwa: dies erlaubte die Bestimmung des bisher genausten Alters des Universums (13.75 Milliarden Jahre) sowie dessen Zusammensetzung (rund 4% leuchtende Materie, 28% Dunkle Materie und 68% Dunkle Energie). Oder die Raumsonde Genesis, welche den Sonnenwind eingefangen hat und ihn zur Erde zurückbrachte: mit der genauen Zusammensetzung der Sonne in der Hand hat man nun einen verlässlichen Ankerpunkt, an dem alle astrophysikalischen Sternmodelle aufgehängt werden können.

Nun steht in den USA eine weitere Raumsonde vor dem Start, die es in diese Ehrengarde der „Kleinen aber Feinen“ schaffen könnte: Das Infrarotteleskop WISE. WISE steht für Wide-Field Infrared Survey Explorer und soll im Dezember von einer Delta II Rakete in eine polare Umlaufbahn (sie führt von Pol zu Pol, so dass das Teleskop immer von der Erde und der Sonne weggerichtet werden kann) gestartet. Das Teleskop wird den ganzen Himmel in den neun Monaten seiner Hauptmission anderthalb Mal vollständig kartieren. Dank der Kühlung des Teleskops (die allerdings nur für höchstens 10 Monate anhalten wird) mit Wasserstoff-Eis (bei 15 Kelvin oder -258°C) ist es im nahen und mittleren Infrarotbereich so sensibel wie kein anderes zuvor. In diesem Bereich strahlen zum Beispiel Braune Zwerge – WISE wird in der Lage sein, bis in eine Entfernung von rund 75 Lichtjahren die kühlsten Braunen Zwerge zu sehen, die Oberflächentemperaturen von nur gerade 450 Kelvin haben (20 Lichtjahre für 300 Kelvin = Zimmertemperatur, 10 Lichtjahre für 150 Kelvin =~Jupiter). Schon seit vielen Jahren vermuten Astronomen, dass sich zwischen den Sternen viele Braune Zwerge verstecken könnten. Braune Zwerge sind Objekte, die zu klein sind, um die Kernfusion in ihrem Inneren zu zünden (sie haben weniger als 75 Jupitermassen, beziehungsweise weniger als 8% der Masse unserer Sonne), aber zu gross, um noch als Planeten zu gelten (sie entstehen wie Sterne durch den Kollaps von Gaswolken, im Gegensatz zu Planeten, die in Gas- und Staubscheiben um junge Sterne heranwachsen). Bei den Objekten, die sich durch einen solchen Gravitationskollaps bilden, gilt eigentlich: je kleiner sie sind, desto häufiger kommen sie vor. Rote Zwergsterne (wie Proxima Centauri oder Barnards Stern, oder Gliese 581) sind rund zehn Mal häufiger als Gelbe Zwergsterne wie die Sonne – und Braune Zwerge könnten nochmals zehn Mal häufiger sein. Das würde heissen, das nächste grössere Objekt ausserhalb des Sonnensystems könnte ein Brauner Zwerg sein, den wir bisher einfach noch nicht entdeckt haben. Ein Brauner Zwerg in 1, 2 Lichtjahren Entfernung wäre in der Tat eine sensationelle Entdeckung. Weiter wird der Satellit zum ersten Mal eine genaue Karte der Verteilung von Staubwolken in der Milchstrasse erstellen, und die aktiven Kerne von weitentfernten Galaxien beobachten.

WISE hat aber noch weitere Anwendungsgebiete. So kann man damit auch Jupitergrosse Gasriesen bis in eine Entfernung von 60000 Astronomischen Einheiten entdecken. Wie ich in meinem Artikel Planeten jenseits des Kuipergürtels erklärt habe, ist es gut denkbar, dass sich in der Oortschen Wolke noch der eine oder andere sogenannte Halo-Planet „versteckt“. Auch dies wäre eine sehr interessante Entdeckung, die unsere Vorstellung von der Geschichte und Entwicklung des Sonnensystems wohl weit voran bringen könnte. Zudem würde man wohl bei einem solchen Objekt gleich über eine unbemannte Mission nachdenken, was der Erforschung und Erprobung von neuartigen Weltraumantrieben Aufwind verschaffen würde.

WISE wird aber auch den erdnahen Raum nach dunklen Asteroiden absuchen, die bisherige Suchprogramme nicht finden konnten. Im Asteroidengürtel wird WISE bis zu 100000 neue Asteroiden finden und die Durchmesser von ebensovielen bestimmen können. Auch der Zodiakstaub, feiner Staub, der die Sonne in der Bahnebene der Planeten umkreist, wird man beobachten können, ebenso wie die Staubspuren, die von Kometen hinterlassen werden.

Die Stärke von WISE liegt darin, dass es eine relativ weite Teleskopöffnung hat – das heisst, jedes aufgenommene Bild hat eine Grösse, die dem dreifachen Durchmesser des Vollmonds am Himmel entspricht. Nur so ist es möglich, den gesamten Himmel zu kartieren. Teleskope mit engen Öffnungen wie Hubble oder Spitzer sehen immer nur einen sehr kleinen, eingeschränkten Bereich des Himmels, diesen dafür besonders gut. So gesehen sind diese Teleskope gut, wenn man genau weiss, was man beobachten möchte: WISE dagegen ist eine offene Suche nach interessanten neuen Himmelskörpern, die bisher kein Infrarotauge gesehen hat…

Webseite der WISE-Mission

7 Kommentare

  1. Die Technik, mit Wasserstoffeis zu kühlen ist mir neu.
    Welche Vorteile hat sie gegenüber flüssigem Helium?

  2. „(13.73 Milliarden Jahre)“

    Hast du eine Quelle (vorwiegend Deutsch) für diese Zahl … den das sind 20 Millionen Jahre weniger als ich es in Erinnerung habe … Danke

    FG Thanathos

  3. Ein nuklear versorgter Ionenantrieb scheint mir das Vernünftigste für die mittelbare Zukunft zu sein. Allerdings werden ihm noch viele Diskussionen vorausgehen was wir uns zutrauen auf eine Rakete zu schrauben, denn wenn das Ding ordentlich Leistung haben soll ist es auch ordentlich gefährlich und könnte uns schließlich auch auf den Kopf fallen.
    Der M2P2 Antrieb scheint mir die realisierbarste Variante eines Segelantriebs zu sein. Er hat aber das selbe Problem wie alle solaren Segelantriebe, er kennt nur eine Richtung. Er braucht einen Zusatzantrieb zur Steuerung und je schneller man am Ziel ist desto kürzer ist man dort 🙁

    Aber warten wir mal ab was wir mit dem neuen Auge zu sehen bekommen.

  4. Das habe ich zunächst auch gedacht. Aber die Suchfelder zwischen zwei Orbits überlappen sich mehrmals. Ich habe gelesen, dass ein Objekt nahe der Ekliptik dadurch ca 12 Mal abgebildet wird (jeweils 6 Mal mit einem halben Jahr unterschied) Ein Objekt über den Erdpolen wird sogar bei jedem Orbit abgebildet.

    Es gibt schon experimentelle Konzepte, wie man Objekte wie Sedna oder noch weiter entfernt liegende Objekte besuchen könnte. Etwa mit einem M2P2-Antrieb, der mit dem Sonnenwind mittreibt (ca 400 km/s Spitzengeschwindigkeit). Auch ein nuklear gespiesener Ionenantrieb könnte da sehr viel mehr Geschwindigkeit rausholen als bei New Horizons. Es ist eher eine Frage des politischen Willens, und ich bin mir sicher, wenn wir jenseits des Kuipergürtels einen weiteren, grossen Planeten entdecken, wird der Wille da sein.

  5. Schade das sich nur eine eineinhalb fache Beobachtung des Himmels ausgeht, so wird bei vielen Objekten eine zweite Sichtung fehlen, die nötig wäre zur genaueren Klassifizierung und zur Ermittlung des Bewegungszustands. Etwas mehr Kühlmittel hätte wohl nicht geschadet, aber dafür gibt es bestimmt Gründe.

    Eine Mission zu neuen Kuiper Gürtel Objekten wird wohl auf absehbare Zeit nicht auf dem Plan stehen. Es plant ja auch niemand zB Sedna zu besuchen, obwohl es bestimmt interessant wäre. Unsere Antriebstechnik reicht dafür nicht.
    Die momentane, nur 10 jährige, Reise von New Horizon zu Pluto dürfte die Obergrenze des derzeit machbaren darstellen, und ist unter anderem zu einem guten Teil einer günstigen Planetenkonstellation zu verdanken. Und trotz so langer Reise zu nur einem Objekt bleiben am Ende nur wenige Stunden Beobachtungszeit, da es der Sonde nicht möglich ist bei Pluto zu verweilen. Sie wird mit großen Tempo über ihr Ziel hinausschießen, in der Hoffnung noch anderen interessanten Objekten zu begegnen bevor sie den Geist aufgibt. Das wird sich aber wahrscheinlich nicht bewahrheiten.

Kommentare sind geschlossen.