Wie gross ist die bewohnbare Zone für komplexe Lebewesen?

Falcon Heavy
Eine SpaceX Falcon Heavy wird zum Startplatz gerollt. (Quelle: SpaceX)

Wer sich schon mal mit ausserirdischem Leben beschäftigt hat, kennt vermutlich das Konzept der „bewohnbaren Zone“ eines Sterns. In dieser Zone kann flüssiges Wasser auf der Oberfläche eines geeigneten Planeten bestehen – er ist seinem Stern weder so nah, dass alles Wasser verdampft, noch so weit entfernt, dass es gefriert. Im Sonnensystem finden wir in dieser Zone nur einen einzigen Planeten: die Erde. Allerdings befindet sich auch der Erdmond darin, was anschaulich macht, dass die richtige Entfernung allein nicht reicht: der Planet muss auch eine passende Atmosphäre haben, die genügend dicht ist, um flüssiges Wasser zuzulassen, aber auch nicht zu viele Treibhausgase enthält.

Das Konzept der bewohnbaren Zone hat also seine Grenzen (was wohl auch jede Astrobiologin einräumen würde) – nicht zuletzt, weil flüssiges Wasser auch ausserhalb der Zone möglich ist. So etwa unter der Eiskruste der Gasriesen-Monde, die von der Schwerkraft ihrer umkreisten Riesenplaneten durchgeknetet und so geheizt werden. Sogar bei eisigen kleine Welten wie Pluto und Ceres verdichten sich die Hinweise, dass sie einst über Wasserozeane in ihrem Inneren verfügten. Und schliesslich können dicke Wasserstoffatmosphären (von etwa 200 bar) selbst auf Planeten, die in den interstellaren Raum geschleudert wurden, für Temperaturen sorgen, bei denen Wasser flüssig bleibt.

Ist die tatsächliche bewohnbare Zone also viel grösser als ursprünglich gedacht? Eine neue wissenschaftliche Arbeit (Schwieterman et al., 2019, Astrophysical Journal, Open Access) geht gerade in die andere Richtung. Anstatt zu fragen, wo überall flüssiges Wasser – und damit vielleicht einfachstes Leben – möglich ist, fragen die Autoren: in welchem Teilbereich der bewohnbaren Zone ist denn eigentlich „komplexes“ Leben möglich? Sie betrachten dabei zwei Faktoren. Erstens CO2 – im äusseren Bereich der klassischen bewohnbaren Zone braucht es mehrere bar davon, damit Wasser nicht gefriert. So zum Beispiel auf dem als „erdähnlich“ beschriebenen Planeten Kepler 62-f, wo ganze 3-5 bar CO2 für angenehme Temperaturen sorgen müssten.

Ein so hoher CO2-Partialdruck verträgt sich aber schlecht mit den Stoffwechsel-Bedürfnissen von komplexen, das heisst, Sauerstoff-atmenden, vielzelligen Lebewesen. Diese sind darauf angewiesen, das Stoffwechselprodukt CO2 (produziert aus der Reaktion von O2 aus der Luft und Kohlenstoff aus der Nahrung) wieder loszuwerden – je höher der CO2-Partialdruck, desto schwieriger wird das. Bereits ein Partialdruck in der Grössenordnung von 0.01 bis 0.1 bar CO2 (oder 10’000 bis 100’000 ppm) ist für solche Lebensformen tödlich. Dadurch schrumpft die bewohnbare Zone bereits um zwei Drittel – ihre Aussengrenze liegt nun nicht mehr dort, wo CO2 gefriert, sondern dort, wo der der nötige CO2-Partialdruck den Wert von 0.1 bar übersteigt.

Zweitens betrachten die Autoren CO, also Kohlenmonoxid. Dieses Molekül ist gefährlich für Sauerstoff-atmende Wesen, weil es Sauerstoff in der Blutbahn ersetzen kann (tatsächlich wird CO sehr viel wahrscheinlicher an Hämoglobin gebunden als O2). Kohlenmonoxid ist ein natürliches Beiprodukt von biologischer Aktivität. In der Erdatmosphäre sammelt es sich jedoch nicht gross an, denn es gibt hier genügend OH-Moleküle (die bei der Spaltung von Wasser durch UV-Licht entstanden sind), mit denen es reagieren kann. Seine Konzentration in der Atmosphäre ist deshalb winzig. Massearme Sterne (Spektralklasse M5 und darüber; Temperatur unter 3200 Kelvin), sogenannte „Rote Zwerge“ senden zu wenig des „nahen“ UV-Lichtes aus, das Wasser spaltet. Entsprechend gering wäre die Konzentration von OH in der Atmosphäre von erdähnlichen Planeten, die sie umkreisen – und entsprechend hoch wäre die Konzentration von CO.

Insgesamt heisst das, dass ein Planet, der komplexe, Sauerstoff-atmende Lebensformen ähnlich jenen der Erde hervorbringen will, nicht nur in der Lage sein muss, flüssiges Wasser zu beherbergen – er darf auch nicht zu viel CO2 bzw. CO in seiner Atmosphäre aufweisen. Gerade einige gegenwärtig als potentiell erdähnlich gehandelte Exoplaneten wie Proxima b und Trappist-1 e, f, und g dürften zu viel CO2 und CO in ihren Atmosphären aufweisen, als dass sie für Menschen bewohnbar wären. Der einzige „erdähnliche“ Exoplanet, der gegenwärtig als mögliche Heimat komplexer Lebensformen in Frage kommt, ist Gliese 667C c, ein Planet mit mindestens 3.7 Erdmassen und etwa dem 1.5-fachen Erddurchmesser, in einem System von drei (relativ hellen) Roten Zwergen.

Nun könnte man argumentieren, dass Lebewesen auf anderen Planeten sich vielleicht evolutionär an diese veränderten Bedingungen anpassen könnten – eben kein Hämoglobin entwickeln, sondern ein anderes Molekül, das weniger empfindlich gegenüber CO ist. Oder aber, dass ganz auf Sauerstoff-Atmung verzichtet wird und andere Ansätze existieren, um einen komplexen mehrzelligen Organismus mit genügend Energie zu versorgen. Alles vielleicht denkbar, zumindest sind solche „ad hoc“ Vorschläge schwierig auszuschliessen – Fakt ist aber auch, der Spielraum der Möglichkeiten wird durch die oben entwickelte Überlegung eingeschränkt, was die Chancen auf komplexes Leben insgesamt wohl eher senkt. Rote Zwerge sind zudem sehr häufige Sterne – ihr Ausschluss hat also wichtige Konsequenzen für die totale Anzahl erdähnlicher Planeten in unserer Galaxie, der Milchstrasse.

Effekte wie die oben beschriebenen können in der Drake-Gleichung (mit der die potentielle Anzahl kommunizierender ausserirdischer Zivilisationen in der Milchstrasse berechnet wird) nicht angemessen berücksichtigt werden. Dort wird nämlich angenommen, dass jeder Planet in der bewohnbaren Zone auch komplexes Leben hervorbringen kann. Zudem hat diese Überlegung auch Auswirkungen auf die Zukunft der Menschheit: sollten wir jenseits des Sonnensystems je andere erdähnliche Planeten zu besiedeln versuchen, müssen wir nun länger suchen. Wir sollten unsere Siedler also dereinst nicht zu Roten Zwergsternen wie Proxima Centauri schicken, sondern zu weissen, gelben und orangen Zwergsternen (Spektralklassen F, G, K), wie Alpha Centauri, Procyon, Epsilon Eridani, Tau Ceti, Epsilon Indi und 61 Cygni. Alles Sterne, die schon prominente Ziele der Science Fiction der 1960er Jahre waren…

Was denkt ihr über diese Beobachtung? Kein Problem für die Evolution – oder ein weiterer Schritt hin zu einer Erklärung für das Fermi-Paradox? Schreibt es in die Kommentare!

1 Kommentar

  1. Ok das Nitpicking zuerst: Wenn auch nicht falsch, ist „OH-Molekül“ weniger treffend als „OH-Radikal“.

    Die Überlegung Rote Zwerge aufgrund des COs auszuschließen, reiht sich natürlich ein in den Ansatz Ähnlichkeit zu dem uns bekannten Leben ersteinmal anzunehmen- diesen Ansatz will ich hier einfach mal akzeptieren.

    Nun ein paar Anregungen: Sauerstoffspeichernde Proteine gibt es auf der Erde weit mehr als Myoglobin und Hämoglobin. Mit verschiedenen Zentralliganden wie Kupfer und Vanadium. Gäbe es eins, das durch CO nicht eingeschränkt wird, wäre das eine teilweise Entkräftung dieser Überlegung.Vielleicht könnte man da einmal die bekannten Stoffe überprüfen Teilweise, weil diese anderen Sauerstoffspeicher überwiegend bei aquatischen Lebensformen, vermutlich keine Anwärter auf technologische Zivilisationen zu finden sind.

    Zweite Anmerkung: Die Sauerstofffänger haben sich, so eine verbreitet angenommene Hypothese, zum Schutz vor dem giftigen Sauerstoff entwickelt.
    Es ist nicht unwahrscheinlich anzunehmen, dass ähnliche Schutzmoleküle auch für das CO entwickelt werden. Es gibt definitiv Katalysatoren, die das Substrat CO freisetzen können. Das Zeug ist ein bekannter interzellulärer Messenger, und Katalysatoren wirken immer prinzipiell in beide Richtungen. Also sollte ein CO-Scavenger-Protein auch möglich sein.

    Zum Co2 noch die Überlegung: Könnte ein Lebewesen das Zeug nicht über das Äquivalent von Urin, in Form von Carbonaten und Hydrogencarbonaten loswerden, oder Verbindungen wie Carbamid (Harnstoff)?

    Und letzter Hinweis: Solche Fragen lassen sich nur durch Experimente wirklich klären. Spektroskopische Untersuchungen der Atmosphären von Planeten in Roter-Zwerg-Systemen sind natürlich schwierig,aber letzlich der gangbarste Weg unser Wissen zu mehren.

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