Wenn Bakterien zu Astronauten werden

Eine neue Arbeit zeigt: planetare Magnetfelder können Bakterien aus dem Gravitationsfeld eines Planeten schleudern – zu den Nachbarplaneten oder sogar in benachbarte Sternsysteme. Mit dem Leben auf Planeten scheint es wie mit dem Flöhen im Kindergarten zu sein: Wenn einer es hat, haben es alle…

Ein interstellares Bakterium
Ein interstellares Bakterium
Dass Planeten Material austauschen können, weiss man schon seit längerer Zeit: Bei grosse Meteoritenimpakten werden einige Oberflächengesteine auf Geschwindigkeiten beschleunigt, die es ihnen erlauben, das Gravitationsfeld ihres Planeten zu verlassen. So kamen zum Beispiel die sogenannten „Mars-Meteoriten“ auf die Erde. Jedes Jahr erreichen, so schätzt man, etwa 20 Tonnen Marsgestein die Erde – das meiste davon fällt ins Meer, ein kleiner Teil jedoch wird gefunden und untersucht. Einer dieser Marsmeteoriten, „ALH84001“, wurde im Jahr 1996 weltberühmt, als einige Forscher vermuteten, Lebensspuren darin gefunden zu haben – was darauf hindeuten würde, dass es einst auf dem Mars Leben gab. Inzwischen hat sich die Aufregung darum wieder etwas gelegt – je nach Standpunkt lassen sich die „Lebensspuren“ auch anders deuten oder auch nicht. Umgekehrt könnten Gesteine von der Erde, hat man berechnet, praktisch alle grösseren Körper des Sonnensystems erreichen, darunter auch den Mars, die Venus oder den Saturnmond Titan. Doch Meteoriteneinschläge sind selten, und die Chance, dass ein Bakterium, das plötzlich aus einigen 100 Metern Tiefe in die lebensfeindliche Umgebung des Weltalls geschleudert wird, diesen Höllentrip überlebt, sind vermutlich klein. Der Austausch von Leben zwischen Planeten über Meteoriteneinschläge ist nicht unmöglich, aber auch nicht gerade sehr wahrscheinlich.

Eine neue Arbeit zeigt nun, dass es noch einen zweiten Mechanismus gibt, nach dem einfaches Leben von Planet zu Planet, von Mond zu Mond transportiert werden könnte: Mit Hilfe von Magnetfeldern. Das Erdmagnetfeld in der Hochatmosphäre ist erst in kürzester Zeit gemessen worden: Es zeigt sich, dass es stark genug ist, um Bakterien, die eine geringe elektrische Ladung tragen, über längere Zeit in der „Schwebe“ zu halten: Die aufwärts gerichtete Kraft des Magnetfelds kompensiert gerade für die Gewichtskraft, die es nach unten ziehen würde. Hier, in der Hochatmosphäre, können sich diese schwebenden Bakterien fortpflanzen und teilen: die Evolution macht sie mit der Zein unempfindlich gegen die harte UV-Strahlung der Sonne und die dünne Luft, so dass sie im „Tiefschlaf“ eine längere Zeit im All überleben können. Schon seit den frühen 70er Jahren weiss man, wie widerstandsfähig Bakterien sind: Bakterien, die auf den amerikanischen Surveyor-Raumsonden zum Mond flogen und von Astronauten zurück gebracht wurden, konnten im Labor tatsächlich wiederbelebt werden.

Wenn Sonnenstürme auf das Erdmagnetfeld treffen, gerät es in Schwung – dies kann dazu führen, dass einige der „abgehärteten“, schwebenden Bakterien ins All geschleudert werden – und das schnell genug, um das Magnetfeld der Erde zu verlassen. Diese Bakterien könnten dann über längere Zeit im All bleiben und schliesslich auf irgend einem Planeten oder Mond niedergehen. Werden die Bakterien sogar in sogenannten „magnetosphärischen Plasmoiden“ weggetragen, selbsterhaltende Strukturen aus Plasma und Magnetfeldern, die aus der Erdatmosphäre herausgerissen werden, könnte der Sonnenwind diese Plasmoiden sogar mit hohen Geschwindigkeiten aus dem Sonnensystem schleudern und – nach vielen Jahrhunderten – vielleicht sogar nahe gelegene Sternsysteme damit „infizieren“.

Die Idee, dass Bakterien auf Magnetfeldern von Planet zu Planet reisen könnten, hatte 1908 bereits der Chemiker Arrhenius, doch bis vor kurzem war unbekannt, ob das Magnetfeld der Hochatmosphäre stark genug dafür ist. Nun scheint sich einmal mehr zu bestätigen, was ich schon länger vermute: Leben ist im Universum weit verbreitet. Ist es tatsächlich so, dass die Erde schon seit Jahrmilliarden ihre Bakterien im Sonnensystem streut, habe ich keine Zweifel, dass wir bald „irdische“ Bakterien auf dem Mars, in der Hochatmosphäre der Venus, in den Ozeanen der Jupitermonde, auf Titan und Enceladus und anderswo finden werden.

[http://www.newscientistspace.com/article/dn9601-electromagnetic-space-travel-for-bugs.html Artikel des NewScientist zum Thema]

2 Kommentare

  1. Ein Bakterium kann auf dem beschriebenen Weg nicht zur Venus – diese liegt näher an der Sonne, doch das Bakterium treibt ja mit dem Sonnenwind dahin.

    Der Sonnenwind ist etwa 400 km/s schnell. Bei günstiger Stellung kommt ein Bakterium so innerhalb von wenigen Tagen zum Mars. Im Übrigen können Bakterien für viele Jahre auf der Mondoberfläche überleben: Auf einer Surveyor-Sonde der NASA, von der Astronauten ein Stück zur Erde zurück brachten, fand man später Bakterien.

  2. Wie lange würde den ein Bakterium, sagen wir zur Venus brauchen? Selbst im günstigsten Fall noch mehrere Jahre,
    ich glaube kaum, dass es die Strahlung überlebt.

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