Was Sternen fehlt…

…steckt vielleicht in ihren Planeten. Vergleichende Untersuchungen der Sonne und sehr sonnenähnlichen Sternen zeigen, dass bestimmte Sterne in genau jenen Elementen verarmt sind, die typischerweise in Felsplaneten stecken.

Ein Stern und seine Planeten bilden sich aus einer kollabierenden Gaswolke von mehr oder weniger homogener Zusammensetzung. Die relative Häufigkeit der verschiedenen darin enthaltenen Elemente ist in der ganzen Galaxis ungefähr gleich – denn sie spiegelt die Gesamtheit aller Prozesse in der Galaxis, welche schwere Elemente („Metalle“, in der Sprache der Astronomen, dazu gehört demnach jedes Element schwerer als Helium, bzw jedes, das nicht schon im Urknall entstanden ist) erzeugen, wie sterbende Rote Riesensterne, Nova- und Supernova-Explosionen. Obwohl jeder „nukleosynthetische“ (schwere Elemente erzeugende) Prozess eine andere typische Elementzusammensetzung hervorbringt (so entstammt praktisch alles Kalzium aus Supernova-Explosionen vom Typ Ia), vermischen sich die Fusionsprodukte im interstellaren Raum derart gut, dass neu gebildete Sterne im Wesentlichen die durschnittliche Zusammensetzung des interstellaren Raumes bzw dessen Wasserstoffwolken wiederspiegeln – Abweichungen von dieser Regel treten nur dann auf, wenn sich der neu gebildete Stern in der Nähe einer ganz bestimmten nukleosynthetischen Quelle befindet, die seine Zusammensetzung massgebend beeinflusst.

Gleichzeitig hat sich die typische chemische Zusammensetzung der Galaxis im Lauf ihrer Geschichte stark verändert, die „Metallizität“ (der Anteil der Metalle am Gemisch) hat stetig zugenommen, von einem fast reinen Wasserstoff-Helium-Gemisch kurz nach dem Urknall bis hin zu einem ganzen Spektrum schwerer Elemente von Lithium bis Uran heute.

Die chemische Zusammensetzung eines Sterns ist deshalb immer auch eine Art Fingerabdruck, der eine Information über das Alter und die Entstehungsumgebung eines Sterns beinhaltet. Zwei Sterne, die gleich gross, alt, hell etc sind, sollten also auch eine ähnliche Zusammensetzung aufweisen.

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Aus dieser Perspektive ist die Entdeckung, die das Team um den deutschen Astrophysiker Martin Asplund gemacht hat, sehr eigenartig: Vergleicht man die chemische Zusammensetzung der Sonne (bzw der Sonnenatmosphäre) mit jener von sehr sonnenähnlichen Sternen (sogenannten „Sonnenzwillingen“, die innert eng umrissener Grenzen die gleiche Masse, Helligkeit, Metallizität sowie das gleiche Alter haben wie die Sonne), dann stellt man fest, dass die Sonnenatmosphäre an den Elementen mit hohen Kondensationstemperaturen (sogenannt „Refraktäre Elemente“) verarmt ist. Das heisst, die Sonne hat in ihrer Atmosphäre sehr viel weniger Eisen, Kalzium, Aluminium (die alle Kondensationstemperaturen von einigen 1000 Grad haben) als die Sonnenzwillinge, während die Konzentration von Natrium und anderen „flüchtigen“ Stoffen („volatile Elemente“ genannt) vergleichbar ist. Da nukleosynthetische Prozesse stets einen ganzen Reigen an Elementen mit unterschiedlichsten Kondensationstemperaturen produzieren, kann man solche Unterschiede nicht mit Nukleosynthese erklären. Rechnet man jedoch aus, welche Masse die „fehlenden“ Stoffe zusammen ausmachen, kommt man auf einige wenige Erdmassen (je nach dem, mit welchen Konvektionsmodellen man arbeitet).

Das wiederum ist ungefähr die Menge refraktärer Elemente, die in den acht Planeten (und Kleinobjekten) des Sonnensystems steckt. Ein interessanter Schluss drängt sich auf: Was der Sonnenatmosphäre an refraktären Elementen fehlt, steckt tatsächlich in den den Planeten!

Das würde bedeuten, dass sich allein über die Messung der Zusammensetzung der Sternatmosphäre künftig auf die An- oder Abwesenheit von terrestrischen Planeten im System schliessen liesse. Gestützt wird diese Interpretation dadurch, dass diejenigen Sonnenzwillinge, die in der Zone, wo sich bei uns die terrestrischen Planeten befinden, von einem Gasriesen umkreist werden, kein Defizit an refraktären Elementen aufweisen. Bei solchen Sternen konnten sich – eben wegen des störenden Gasriesen – nie terrestrische Planeten aus dem Staub bilden, der Staub stürzte „ungenutzt“ in den Stern und glich das Verhältnis zwischen refraktären und volatilen Elementen wieder aus (im Gegensatz zu dem, was meistens angenommen wird, verschwinden Gas- und Staubscheiben um Sterne primär deshalb, weil ihr Material auf den Stern zurückstürzt, und nicht, weil der Stern das Material in den interstellaren Raum pustet).

Gasriesen allein beeinflussen die Zusammensetzung nicht so stark, denn sie sammeln neben den refraktären Elementen auch sehr viel Wasserstoff und andere volatile Elemente aus der Scheibe auf, so dass ihre Anwesenheit zwar eine Verringerung der totalen Sternmasse bewirkt, aber keine grosse Verschiebung des Verhältnisses zwischen refraktären und volatilen Elementen.

Sollte sich diese Vermutung bestätigen, können wir gleich noch eine andere Zahl nachschieben: 15% aller Sonnenzwillinge zeigen dieselben Defizite von refraktären Elementen wie die Sonne – das könnte bedeuten, dass ungefähr jeder siebte sonnenähnliche Stern ein Planetensystem wie unsere besitzt: mit zahlreichen Felsplaneten nahe am Stern.

Die Arbeit, welche den Zusammenhang beschreibt, auf arxiv.org

18 Kommentare

  1. \“15% aller Sonnenzwillinge zeigen …, dass ungefähr jeder siebte sonnenähnliche Stern ein Planetensystem wie unsere besitzt\“

    Nun denn, lasset uns unsere Nachbarn suchen.

  2. \“Planeten mit vielen Metallen haben häufiger (massive) Planeten? Sicher, dass du nicht \“Sterne\“ meinst?

  3. Hohe Metallizität allein sagt – zumindest nach der Hypothese oben – noch nichts über die An- oder Abwesenheit von Planeten aus. Nur die Frage, WELCHE Metalle vorhanden sind und welche nicht.

    Hohe Metallizität korrelliert jedoch klar mit der Anwesenheit von Planeten. Planeten mit vielen Metallen haben also häufiger (massive) Planeten.

    Die Sache mit den Doppelsternen, die keine Planeten haben können, ist mittlerweile längst veraltet. Man weiss, dass es auch in den meisten Doppelsternsystemen stabile Zonen gibt, in denen sich Planeten bilden können, gerade auch bei Alpha Centauri (soweit ich mich erinnere, dehnt sich die Zone zwischen 0 und 2 AU um jeweils beide Sterne, A und B, aus). Gamma Cephei z.B. ist ein Doppelsternsystem, das Alpha Centauri sehr ähnlich ist, und in dem ein (exzentrischer) Gasriese den massiveren Stern des Systems umkreist.

    Die Aussage zum Lithium steht immer noch. Lithium ist in Sternen mit Planeten tendenziell verarmt, und Alpha Centauri ist, gemessen am sonstigen Metallgehalt, an Lithium verarmt. Insofern sind die Chancen auf Planeten bei Alpha Centauri aus meiner Sicht intakt.

  4. @kibo

    Ich habe mal vor Jahren eine frage an bynaus gestellt die darauf abzielte doe Wahrscheinichkeit von Planeten um Alpha Centauri A und B abzuschätzen:
    \“
    Wissen sie zufällig den Anteil an Lithium den Alpha Centauri A und B haben. Ist der genauso gering wie der der Sonne ? Das würde auf Planeten hinweisen.
    \“

    das war seine Antwort:

    \“
    Alpha Centauri ist metallreicher als die Sonne, aber Lithium ist relativ zu der erhöhten Konzentration, die man daraus erwarten würde, verarmt. Das heisst, obwohl die Lithium-Konzentration von Alpha Centauri höher ist, darf man auch dort Planeten erwarten, wenn das Modell so stimmt. Es könnte nämlich auch sein, dass der Begleitstern zu den zusätzlichen Mischungsprozessen führt, die sonst – gemäss der von Israelian et al vorgeschlagenen Erklärung – von Planeten ausgelöst werden.
    \“

  5. @ Kibo
    Im wesentlichen ja, zumindest für A der zumindest in der selben Spektralklasse wie unsere Sonne ist. Über B wir können wir auf diesem Wege nicht viel sagen.
    Aber schon die Tatsache dass es ein Doppelstern ist macht Planeten sehr unwahrscheinlich, aber nicht völlig unmöglich.

  6. Man weis ja, dass Alpha Centauri (A oder B? weis nich mehr genau) Eine recht hohe Metallizität besitzt. Nach dem Artikel wäre das ja ein Indiz, dass da keine Planeten vorhanden sind oder?

  7. Ich glaube auch nicht das man so eine entstehendes System isoliert betrachten darf. In den meisten kalten Wolken entstehen ja gleich mehrere Sterne und es kann in deren Jugend durchaus turbulent zugehen. Was die Sache nicht leichter macht.
    Wir sehen ja schon an den jetzigen Planten das es durchaus eigenartige Konstellationen gibt, mit stark geneigten oder sehr exzentrischen, oder gar retrograden Bahnen, sogar von sehr schweren Planeten. Da müssen also ganz schöne Kräfte im Spiel gewesen sein die eigentlich fast nur von außen kommen können.
    Ein System in dem die Planeten ihren Stern schön brav in einer Ebene fast Kreisförmig umlaufen scheint nicht unbedingt die Regel zu sein. Die Geschichte unseres Systems dürfte sehr ruhig verlaufen sein.
    Ich kann mir auch gut vorstellen das ein vorbeiziehender Stern einem anderen jungen Stern seine Scheibe od. Protoplaneten ganz oder zum Teil entreißt und ein sehr elementenarmer Stern zurückbleibt der dennoch kaum od. keine Planeten hat.
    Da ist noch viel Platz zum Forschen.

  8. Die Bildung eines Sterns aus einer Gas- und Partikelwolke hat wohl ähnlich indeterministische Resultate wie die Wolkenbildung. Sicherlich werden Computersimulationen in Zukunft aufschlussreich sein, man müsste den Prozess simulieren, durch den ein Stern ohne Planeten entsteht, und dann die Startbedingungen verändern, um herauszufinden , unter welchen Bedingungen sonnenähnliche Planetensysteme entstehen. Hier könnten die mathematischen und informationstechnologischen Fertigkeiten aus den Klimasimulationen auf ein anderes Gebiet übertragen und modifiziert werden.

  9. Ein einleuchtender Gedanke und frappierend simpel.

    Ich meine allerdings das wir noch viel zu wenig über andere Planetensysteme wissen um diese Annahme verifizieren oder zu können.
    Ich könnte mir eine Menge andere Prozesse vorstellen die die Elementenverteilung beeinflussen. Es könnte purer Zufall sein das dies im Falle der Sonne so gut mit der Gesteinsplanetenmasse zusammenpasst.

    Auf der andren Seite kann ich mir auch gut vorstellen das die meisten Sterne denen wir heute noch keine Planeten zuordnen dennoch welche haben, wir haben sie nur noch nicht gefunden. Denn wenn tatsächlich so viele Sterne keine Planeten hätten stellt sich doch auch sofort die Frage warum dies so sein sollte, wenn sie sich doch ähnlich gebildet haben. Also auch die Widerlegung ist doch sehr weit her geholt.

    Es wird also noch eine weile dauern bis sich das bestätigen lässt, oder eben nicht.
    Wenn es allerdings zutrifft wäre das überaus praktisch.

  10. @Heraklit: Dass man hier Sonnenzwillinge betrachtet hat, hat nichts mit der Suche nach Leben nur bei sehr sonnenähnlichen Sternen zu tun. Sondern damit, dass Sterne eben komplexe Gebilde sind und man sich nicht darauf verlassen will, irgendwelche Häufigkeitstrends zu interpretieren, wenn die Fusionsmaschine darunter nach ganz anderen Regeln läuft. Man hat Sonnenzwillinge genommen, weil man dort davon ausgehen darf, dass alles andere \“gleich\“ ist und Unterschiede in den Konzentrationen bestimmter Stoffe eine echte Bedeutung haben. Wenn sich bestätigen sollte, dass dieser Zusammenhang ein zuverlässiger Hinweis auf die Anwesenheit von Planeten ist, kann man sich auch überlegen, wie man diesen auf Sterne anderer Grössen und Massen übertragen kann.

    Nachtrag: Eine neue Arbeit zweifelt den oben behaupteten Zusammenhang auf der Grundlage von neuen, besseren Beobachtungen an. Sie sehen keinen Unterschied in den Häufigkeit-vs-Kondensationstemperatur-Trends zwischen Sternen mit und ohne bekannte Planeten. Allerdings muss man hier anfügen, dass die bisher bekannten Planeten ja immer noch grossmehrheitlich Gasriesen sind. Tja, so schnell kann es gehen! 🙂

    arxiv.org/abs/1007.0580

  11. Zusammenfassung:Wenn man die Suche eingrenzen will, sollte man mit den am besten zu beobachtenden Sternen anfangen, statt sich auf die sonnenähnlichen einzuschießen.

  12. Natürlich ist es wahrscheinlicher auf einer erdähnlichen Welt Leben zu finden, aber die muss nicht um einen sonnenähnlichen Stern kreisen. Entscheidend ist es, dass das Biotop für irdisches Leben bewohnbar ist. Also sollten wir nach flüssigem Wasser suchen, egal ob es sich in einem offenen Ozean befindet oder in einem unter Eis gelegenen See.
    Was ich sagen will ist: Auch in einem exotischen System können lokal oder kurzzeitig die Bedingungen sehr erdähnlich sein.Z.B. ist ein Planet oder Mond denkbar, der regelmäßig von Eisobjekten getroffen wird, die eine Übergangsatmosphäre schaffen, die das dortige Leben zur Vermehrung nutzt und das Äquivalent von Sporen unter der Oberfläche deponiert, wo es auf den nächsten \“ Kometenregen wartet.
    Du selbst hast auf die Möglichkeit von Leben mit Kohlenstoff/Wasserchemie an Orten wie der Hochatmossphäre der Venus, den Planeten kleiner,langlebiger Sterne etc. hingewiesen.
    Also denke ich , aufgrund der fehlenden Elemente in einem Stern auf Planeten zu schließen ist ein vielversprechender Ansatz, den man auch auf die habitabilen Zonen anderer Sterntypen anwenden sollte in dem man (soweit Daten vorliege) Systeme mit vielen Felsplaneten mit solchen ohne oder überwiegend Gasplaneten vergleicht.

  13. Natürlich kann man den Zusammenhang – wenn er denn wirklich existiert und bestätigt wird – nur als Hinweis verwenden, sich doch diesen oder jenen Stern etwas genauer anzuschauen. Die tatsächliche Anwesenheit von terrestrischen Planeten muss dann doch noch direkt bestätigt werden.

    @Heraklit: Warum sollte es wahrscheinlicher sein, auf einer fremdartigen Welt Leben zu finden? Wir wissen, dass auf einer Welt wie unserer komplexes Leben, Intelligenz und Zivilisation möglich sind – und es wäre durchaus denkbar, dass nur Welten wie die Erde Zivilisationen hervorbringen können. Folglich will man mal schauen, wie häufig solche Welten denn überhaupt sind.

    Die Altersbestimmung von Sternen ist unabhängig von ihrem Gehalt an refraktären vs volatilen Elementen. Volatile Elemente bilden sich auch nicht \“früher\“ in der Entwicklung der Galaxis als refraktäre, und sie sind auch nicht generell \“leichter\“.

    Wie sehr \“Sonderfall\“ unser Sonnensystem tatsächlich ist, versucht man ja gerade herauszufinden. Diese Beobachtung würde nahelegen: Ein Stern aus sieben hat ein mit dem Sonnensystem vergleichbares Planetensystem.

  14. Wie verlässlich ist denn die Bestimmung des Alters eines Sterns? Könnten die im Artikel erwähnten Sonnenzwillinge auf ein falsches Alter geschätzt worden sein, eben weil sie andere Planetensysteme und damit Elementenhäufigkeit haben als die Sonne? Oder könnten die Sterne mit mehr refraktären Elementen einfach nur älter sein als die Sonne- im Lauf der Zeit hätte sich ihre Zusammensetzung geändert.
    Soweit ich weiß, haben Sterne gleicher Masse idR eine ähnliche Lebensdauer,doch möglicherweise könnte die Sonne eben kein typischer gelber Hauptreihenstern sein wie die zum Vergleich herangezogenen Sterne, sie könnte durch ein kosmisches Ereignis Masse hinzugewonnen oder verloren haben,
    schließlich ist sie überhaupt ein Sonderfall, weil ihr System Leben trägt.

  15. Der Gedanke liegt so nahe, dass man sich auf die Stirn hauen möchte, nicht selbst drauf gekommen zu sein. Klaro annähernde Gleichverteilung der Elemente, die Elemte, die nicht in der Sonne aufgehen bleiben dort in der Nähe und bilden (sofern sie nicht weggeblassen werden) die Planeten.

    Typisches Beispiel für einen genialen Gedanken!

  16. Ist es nicht wichtiger, das zu erforschen, was wir schlecht kennen, als das was wir schon besser kennen? Wenn wir je außerirdisches Leben finden, dann auf einer fremdartigeren Welt als einer \“zweiten Erde\“.

  17. hi,
    wenn das so miteinander zusammenhängt. dann ist es ja ein enormer fortschritt bei der suche nach potentiell planetenbildenden systemen.
    hierbei können auch viel schwächere teleskope eingesetzt werden was die suche beschleunigen sollte, wenn man mit den leistungsfähigen teleskopen \“nur\“ noch den tatsächlichen sachverhalt überprüfen muss.

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