Konsequenzen der Unendlichkeit

Ist das Universum wirklich unendlich gross? Es gibt einiges, das darauf hin deutet – doch die Konsequenzen davon sind weitreichender, als man auf den ersten Blick vermuten würde. Ist das Universum wirklich unendlich, dann gibt es da draussen unendlich viele Kopien der Menschheit…

Zwei Galaxien exakt voreinander - unwahrscheinlich, aber wenn das Universum gross genug ist...
Zwei Galaxien exakt voreinander - unwahrscheinlich, aber wenn das Universum gross genug ist...
Dass das Universum unglaublich gross ist, wissen fast alle Menschen. Ob es nun einfach sehr, sehr, sehr gross oder gar unendlich gross ist, spielt für unseren Alltag keine Rolle. Das sichtbare Universum, also der Teil des Universums, aus dem uns in der Geschichte seiner Ausdehnung seit dem Urknall vor 13.7 Milliarden Jahren überhaupt Licht erreichen konnte, hat etwa einen Durchmesser von etwa 80 Milliarden Lichtjahren. Doch das Universum selbst ist wohl noch viel grösser: alle Galaxien scheinen vor uns zu fliehen. Nun wäre es wirklich ein ausserordentlicher Zufall, wenn wir uns ausgerechnet im exakten Zentrum einer universumsweiten Expansion befinden würden. Diese Beobachtung wird deshalb in der Regel so interpretiert, dass sich der Raum ausdehnt. Veranschaulichen kann man sich das mit einem Luftballon, der langsam aufgeblasen wird: auf seiner Oberfläche, die für unseren dreidimensionalen Raum steht, symbolisieren schwarze Punkte die einzelnen Galaxien: dadurch, dass der Ballon aufgeblasen wird, dehnt sich seine Oberfläche: jeder Beobachter in den einzelnen Galaxien wird nun den Eindruck haben, dass sich die anderen Galaxien von ihm entfernen – man braucht keinen ausserordentlichen Zufall mehr zu bemühen, um die Beobachtung zu erklären – jeder Beobachter im Universum macht mit diesem Modell die selbe Beobachtung wie wir.

Doch wie gross ist der Ballon? Wie weit müsste man reisen, um einmal „ganz herum“ zu kommen? Diese Frage ist durchaus zulässig. Prinzipiell gibt es drei Möglichkeiten: entweder, unser dreidimensionaler Raum ist, wie die Ballonoberfläche, endlich gross, aber ohne Rand: in diesem Fall spricht man von einem geschlossenen Universum – die Winkelsumme eines Dreiecks beträgt mehr als 180°. Oder aber, der Radius des Ballons ist unendlich gross, sprich, die Ballonoberfläche wird zu einer perfekten, unbegrenzten und unendlich grossen Ebene: egal wie weit man auf dieser Ballonoberfläche reist, man wird nie an den Ausgangspunkt zurück kommen – in diesem Fall beträgt die Winkelsumme eines Dreiecks natürlich, wie aus der Geometrie bekannt, immer 180°. Der dritte Fall lässt sich nicht gut visualisieren: in diesem Fall beträgt die Winkelsumme weniger als 180°.

Schon in den frühen Neuzeit versuchten Forscher wie etwa der deutsche Mathematiker und Physiker Carl Friedrich Gauss, grosse Dreiecke zu vermessen, um zu sehen, ob der Raum auf grossen Skalen gekrümmt ist. Dabei kamen, im Rahmen des Fehlers, stets Winkelsummen von 180° zusammen. Tatsächlich ist der Raum in der Nähe grosser Massen „lokal“ gekrümmt: Gauss konnte dies wegen zu geringer Genauigkeit seiner Messungen aber nicht bemerken. Wendet man die Dreiecksmethode aber auf das ganze Universum an (vermisst man Dreiecke etwa über Lichtlaufzeitunterschiede zwischen dem Licht einer Supernova und dem verzögerten „Lichtecho“ aus einem benachbarten Nebel), dann stellt man fest: auf grossen Skalen liegt die Winkelsumme von Dreiecken – innerhalb des Messfehlers – bei 180°. Ein geschlossenes Universum wäre zwar immer noch denkbar, aber dieses müsste einen Durchmesser von mindestens 160 Milliarden Lichtjahren haben (womit klar ist, dass unser sichtbares Universum nur einen kleinen Teil des gesamten Universums ausmacht), nach oben ist die Grösse beliebig gross. Ein „flaches“ Universum, das sowohl unbegrenzt als auch unendlich ist, ist die wahrscheinlichste Interpretation dieses Ergebnisses. Auch andere Beobachtungen aus der Kosmologie, wie etwa die gleichmässigkeit der kosmischen Hintergrundsstrahlung, sprechen für ein unendlich grosses Universum.

Doch was bedeutet ein unendlich grosses Universum? Zunächst einmal: in einem solchen Universum gibt es unendlich viel ausserirdische Zivilisationen. Die Chance, dass sich eine Zivilisation bildet, ist offenbar grösser als Null (eine beliebig kleine Zahl), sonst gäbe es uns nicht – und da eine beliebig kleine Zahl, multipliziert mit Unendlich, immer noch Unendlich gibt, muss es unendlich viele Zivilisationen geben.

Nun spielt aber noch ein anderer Effekt hinein: Jeder denkbare Gegenstand, sei es ein Wasserglas, ein Mensch, ein Land, ein Planet, besteht aus einer endlichen Anzahl Teile. Eine endliche Anzahl Teile lässt sich nur in einer endlichen Anzahl Kombinationen zusammensetzen. Diesen Umstand kann man sich am besten mit zwei Lego-Steinen verdeutlichen: es gibt nur eine begrenzte Anzahl Möglichkeiten, die beiden zu verbinden. Eine riesige Kiste mit Lego-Steinen, die alle auf eine andere Art miteinander verbunden sind, muss, wenn sie mehr Lego-Steine enthält, als Verbindungen möglich sind, einige der Lego-Stein-Verbindungen doppelt enthalten. Eine unendlich grosse Lego-Kiste hingegen muss sogar alle möglichen Verbindungen in unendlicher Zahl enthalten. Was für Lego-Steine gilt, gilt auch für Wassergläser, Menschen, Länder und Planeten. Wenn man in einem unendlich grossen Universum nur weit genug geht, wird man eine exakte Kopie seiner selbst finden. Das heisst, in einem unendlichen Universum gibt es da draussen nicht nur unendlich viele Zivilisationen, sondern auch unendlich viele exakte Kopien unserer Erde – und ihrer einzelnen Menschen. Je „schlechter“ die Kopie ist, desto mehr gibt es davon. Es gibt also da draussen nicht nur unendlich viele Erden, in denen George W. Präsident der USA ist, es gibt auch unendlich viele, in denen 2001 Al Gore Präsident der USA geworden ist. In unendlich vielen Welten haben Bill Clinton und Monica Lewinsky geheiratet, ist Hillary Clinton zur Al-Qaida übergelaufen und hat Osama bin Laden geheiratet.

Das mag vielleicht absurd klingen, aber wenn das Universum tatsächlich unendlich gross ist, ist jede [b]physikalisch mögliche[/b] Kombination von Atomen irgendwo verwirklicht. Irgendwo sitzt jetzt eine Kopie meiner selbst und wundert sich darüber, ob es da draussen im unendlichen All wirklich eine Welt geben könnte, in dem 2001 tatsächlich George W. Bush zum Präsidenten der USA – was für eine absurde Vorstellung – gewählt wurde… Das geht natürlich auch noch viel weiter: je weiter die Kopie vom Original entfernt ist, desto häufiger tritt sie auf und desto „näher“ liegt sie räumlich von uns entfernt. Für jede Entscheidung, die man in seinem Leben getroffen hat, gibt es unendlich viele Universen, in denen man sich anders entschieden hat. In der Multiversentheorie entspricht diese unendliche Welt mit unendlich vielen Kopien, die durch gewaltige räumliche Abständen voneinander getrennt sind, dem „Level 1“-Multiversum (weitere Levels sind denkbar – dies werde ich ein anderes Mal erläutern). So lässt sich mathematisch schätzen, wie weit der mittlere Abstand einer Person zu ihrer nächsten, perfekten Kopie ist: rund 10 hoch 10 hoch 29 Meter. Also eine 1 mit 10 hoch 29 Nullen, oder anders gesagt, eine 1 mit hundert Quadrilliarden Nullen. Schlicht unglaublich weit weg – aber ein Klacks in einem wirklich unendlichen Universum.

Eine Arbeit auf Arxiv.org zum Thema

13 Kommentare

  1. Vor ein paar Jahren hatte Ich mal ausgerechnet, das Ich 4200 Lichtjahre lang Nullen schreiben müsste, Zwei pro Zentimeter, nur eine Zeile, um auf 10 hoch 10 hoch 129 zu kommen.

  2. Wenn es sowas wie Überlichtantrieb geben könnte, sodass man Nachrichten mit Billionenfacher Lichtgeschwindigkeit versenden könnte werden dann (beziehungsweise sind schon immer gewesen) die Abstände der Kopien untereinander größer als 10^10^29 Meter? Oder 10^10^29 Meter wäre dann der Beweis das es keine Überlichtgeschwindigkeit geben kann… .

  3. Wir leben eindeutig im Paralleluniversum. Andererseits: Eurasien ist frei. The eighth November is the eurasian Independence day!

  4. Wenn im Paralleluniversum einer am Nordpol für schuldig erklärt wird, wird er im Universum A0XO5fghÖ am Südpol für unschuldig erklärt. Und eine Erde in einem Universum gesellschaftlich zu verbessern wird eine andere genau in dem selben Maße verschlechtern… .

  5. Es gäbe also einen Ort an dem die 100 Personen -welche ich kannte- die in den letzten 7 Jahren gestorben sind, noch leben, auch wenn die dann leicht anders wären. Ich könnte mir also doch die Hand schütteln – aber in dem Moment sind wir beide nicht mehr die selbe Person. Mein Klon könnte mit mir identisch sein und trotzdem nicht in die selbe Richtung fliegen wie ich, seine Umgebung müßte anders sein als meine, aber die Änderungen müßten weit genug weg sein, um nicht auf ihn einzuwirken. Nein Quatsch. Wenn er nicht losfliegt, hat die Umgebung auf ihn eingewirkt. Aber die Entfernung könnte geringer sein. Hat man bei den 10^10^29 Metern mit einberechnet das viele Kubiklichtjahre um meinen Klon mit meinen etlichen Lichtjahren³ um mich drumherum identisch sein müssen? Die dortige Erde kann doch ein Wasserglas in Asien anders stehen haben + eine Welle im Pazifik mehr und eine Person in Frankreich mehr und zusätzlich einen Asteroiden in der Oortschen Wolke mehr der noch nicht entdeckt wurde, so das ich (dort) noch nie davon gehört habe. Ich könnte trotzdem identisch sein mit meinem Klon dort. Das Argument, im Laufe der Zeit werden die Klone weniger, müßte nicht stimmen, da alles nur Materiekombinationen sind. Egal wieviele Tausend Jahre eine Zivilisation uns voraus ist, ihre Technologie setzt sich auch nur aus Atomkombionationen zusammen, oder aber man flüchtet in ein Paralleluniversum… . Bei Paralleluniversen müßte es auch die gleiche Anzahl von „ich’s“ geben, welche mit mir identisch sind, aber nur für einen Moment oder Jahre. War das nicht so, dass bei Paralleluniversen der Lebenslauf anders ist, aber dennoch die gleiche Anzahl von „ich’s“ in einem bestimmten Gebäude sind?

  6. Hätte das Gauss wirklich feststellen können? Wenn die Messgenauigkeit größer gewesen wäre? Auf der Erde? Hätte man die Relativitätstheorie eher entdecken können. Da ich fast keine Ahnung von Physik frage ich mich seit zehn Jahren wie das mit ‚Lisa‘ funktionieren soll. Ich denke immer das die Zeit mit gedehnt wird, so das man nie oder schlecht Gravitationswellen wird messen können.
    Haha laut P.M. vor 7 – 13 Jahren hatte Galilei alles notwendige beisammen, um die Relativitätstheorie zu entdecken.

  7. Ja gut, vielleicht gibt es ja unendlich viel Masse in unserem Universum. Das würde dazu passen, das der Urknall unendlich heiss und unendlich viel -was war es- Masse? besaß. Ich hab` mich ja früher immer gefragt, wenn der Urknall unendlich klein war, war es vorherbestimmt wieviel Masse das zukünftige Universum besitzt? „Zukünftig“ ist etwas falsch, da es ja „“damals“ „noch““ keine Zeit gab. Hätte es nach dem Urknall auch ein Universum geben können, welches nur die Masse eines Fußballs besitzt? Kann ein Punkt zu unendlich viel Masse explodieren oder gibt es unendliche große leere Abgründe in einem unendlich ausgedehnten Universum? Und obwohl es sich damals schon unendlich ausgedehnt hat, wird es immer noch größer. Ich wollte schon vor Tagen schreiben: Es müßte sich nach dem Urknall unendlich ausgehnt haben und dann irgendwann noch einmal (da ein Punkt unendlich klein ist -erst zu etwas endlich großem, und dann zu etwas unendlich großem- und von unendlich klein zu endlich gross ist nunmal auch unendlich. Ich meine 0*Lemniskate = 1 wiederum *Lemniskate=unendlich großes Universum. Oder ist der Punkt unendlich^2 schnell explodiert? Unendlich viel Masse passt eben nicht zu ‚der Urknall war unendlich klein, unendlich heiß und unendlich kompakt.
    Dehnt es sich mal „mehr“ oder „weniger“ unendlich schnell aus? Weil, es hieße früher immer ‚es hat sich früher schneller ausgedehnt, und jetzt befinden wir uns wieder in einer Phase wo die Ausdehnungsgeschwindigkeit zunimmt‘, aber vermutlich wächst das unendliche Universum nur mit endlicher Geschwindigkeit (das habe ich nirgendwo gelesen, das war nur geraten). Aber ein Universum, welches unendlich groß ist, expandiert ein paar Milliarden Jahre lang so schnell, das es meinetwegen doppelt so groß in allen räumlichen Dimensionen ist, gemessen an dem Anbeginn der paar Milliarden Jahre, und dann expandiert das unendlich große Universum langsamer? Seit ein paar Millionen oder wenigen Milliarden Jahren exandiert es dann, gemessen an der Frühzeit, mit 2 bis 1000-facher Geschwindigkeit wie vorher? Ich kann mir das bei einem endlich großen Universum vorstellen -klar-, aber bei einem unendlich großem nur fast.
    Es gab mal die Idee, dass sich unser Teil des Universums, den wir beobachten können, was war es – leerer, voller ist, sich schneller oder langsamer ausdehnt, als der Teil der hinter dem sichtbaren Universum liegt. Was war die Konsequenz? Das wir ein falsches Alter des Universums annehmen oder das Universum nicht aus einem Punkt entstanden ist bzw. doch zusammenstürzen könnte. Es stand in bild der wissenschaft, Spektrum der Wissenschaft oder (wahrscheinlich nicht) Sterne und Weltraum, vor 6-8,4 Jahren auf jeden Fall. Vielleicht sind ja alle Objekte außerhalb des sichtbaren Universums blauverschoben und wir enden in einem gigantischen, nein yottantischen schwarzen Loch… .

  8. Es sollte heißen „denn es flieht von mir (bewegt sich von mir weg), wenn ich zu …“

    Alternativ: „Ein Original von mir könnte mir nie begegnen, denn wenn es nicht mehr den selben Abstand zu mir hat, ist es kein Original mehr.“
    Es müssen 42 in der doppelten Entfernung sein. Bei „54“ habe ich 12 + 42 gerechnet. Von den 42 müßten 12 dieselbe (größte; von diesen 42) Entfernung zu mir haben, andere 6 von diesen 42 müßten dieselbe, kürzeste Entfernung zu mir aufweisen. 12 bis 18 oder 24 haben dann die fast größte Entfernung (immer von diesen 42) zu mir).

    Mit den 0° Kelvin am 28. August – ich dachte mir wenn das sich Universum unendlich schnell ausgedehnt hat, müßten alle Teilchen jeweils unendlich weit voneinander entfernt sein. Da das nicht so ist, müssen sich unendliche Abgründe zwischen- nennen wir es mal, Filamentkonzentrationen- auftun.

  9. Eine exaktes Original von mir hat immer denselben Abstand zu mir, d. h., wenn die Umgebung von ihm mit meiner identisch ist. Ein Original von mir könnte mir nie begegnen, denn wenn es flieht von mir, wenn ich zu ihm/zu es fliege. Wenn nicht, dann ist es in dem Moment, wo es sich nicht mehr großartig bewegt, kein Original mehr von mir. Es müßten 12 Originale im Abstand von rund 10^10^26 Kilometer sein bzw. 54 in der doppelten Entfernung (alle in unterschiedlichen Richtungen).
    Müßte das Universum sich dann nicht irgendwann unendlich schnell ausgedehnt haben, wenn es unendlich groß ist? Und es wird nicht 0° Kelvin weil es immer noch Massekonzentrationen gibt? Gibt es dann demzufolge unendliche große Abstände ab und zu? Wenn es unendlich groß ist, müßte es dann nicht eine Spezies geben die das Universum vernichten kann, und zwar gestern, die nach Millionen Jahren eine Technologie entwickelt hat, mit der sie dieses bewerkstelligen könnte? Wenn man es nicht schafft, das Universum zu vernichten, würde man ewig ein Spielball der Naturgesetze bleiben… .

  10. es ist zwar schon 2013, aber noch ein Kommentar

    @Nils: Zitat „Dann würde der Urknall selbst immer noch und bis in die Unendlichkeit existieren…..“

    Wenn ich die Urknalltheorie richtig verstanden habe, dann ist das Universum der Urknall. Die ursprüngliche Singulariät fängt an sich auszudehen. –> Sprich die ausgedehnte Singularität ist das Universum. Was wieder bedeutet wir befinden uns im Urknall.

    Ist mal so wie ich das aufgefasst habe von etlichen Artikeln die ich schon gelesen habe…

  11. @Nils Stracke: Alles, was man sagen kann, ist, dass zum Zeitpunkt des Urknalls das gesamte sichtbare Universum annähernd auf einen Punkt komprimiert war. Das heisst aber nicht, dass das \“gleich nebenan\“ nicht auch hätte geschehen können, und daneben auch wieder, und so weiter bis in alle Ewigkeit: Das Universum könnte somit durchaus schon im Moment des Urknalls unendlich gross gewesen sein. Wir können das nicht ausschliessen, weil wir eben nur unser sichtbares Universum kennen.

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