Seenlandschaft auf Titan

Die Raumsonde Cassini hat auf dem faszinierenden Saturnmond Titan eine Seenlandschaft entdeckt: Die Seen bestehen aber nicht etwa aus Wasser (dieses bildet bei den dort herrschenden Temperaturen eher Gesteine), sondern vermutlich aus flüssigem Methan.

Der Titan
Der Titan
Der Saturnmond Titan, nach dem Jupitermond Ganymed der zweitgrösste Mond im Sonnensystem und gleichzeitig der einzige Mond mit einer nennenswerten Atmosphäre, überrascht uns immer wieder. Bevor die amerikanische Raumsonde Cassini im Dezember 2004 in einen Orbit um den Ringplaneten Saturn eintrat und im Januar 2005 den europäischen Lander Huygens auf dem Titan absetzte, wusste man nicht viel über diesen Mond. Man wusste, dass er eine dichte Atmosphäre hatte, die an der Oberfläche einen etwa doppelt so hohen Druck aufweisen musste wie jene der Erde, dass diese Atmosphäre ähnlich wie jene der Erde zu einem grossen Teil aus Stickstoff bestand, mit äusserst unirdischen Beimengen von Methan, Ethan und anderen Kohlenwasserstoffen. Die Oberfläche war neugierigen Blicken bisher weitgehend verborgen geblieben, denn eine dichte Smogglocke umhüllt den Mond, weshalb die Spekulationen hochgingen: Was würde man unter dem Smog finden? Seen, gar Meere aus flüssigem Methan? Gebirge aus Eis? Vulkane, die flüssiges Methan ausspucken?

Einige Monate später stellte sich eine gewisse Enttäuschung ein: es gab keine Methan-Meere auf Titan. Dafür weckten andere Entdeckungen die Begeisterung der Wissenschaftler: Man entdeckte Vulkane, Flusssysteme (offenbar geht auf Titan ein konstanter, sehr feiner Methan-Nieselregen nieder), nur ganz wenige Krater (was auf eine junge, dynamische Oberfläche hindeutet), ja sogar riesige Dünenfelder (wobei deren „Sandkörner“ aus Wassereis bestehen) wurden entdeckt. Die Landesonde Huygens schickte Bilder, die an ein irdisches Flussbett erinnerten, mit gerundeten Steinen aus Wassereis. Doch die Entdeckung, die in diesen Tagen veröffentlicht wurde, übertrifft alles: Am Nordpol des Titans wurde gleich eine ganze Seenlandschaft entdeckt. Die Seen bestehen natürlich nicht aus Wasser – bei Temperaturen von -160 °C und tiefer ist dieses zu einem superharten, gesteinsbildenden Mineral geworden. Die Seen am Titan-Nordpol bestehen aus flüssigem Methan und Ethan. Bilder der Cassini-Sonde zeigen sanfte Küstenlinien, Inseln, Buchten und Lagunen, sowie teilweise Flüsse, die von einem See in den nächsten führen. Damit ist Titan neben die Erde die einzige Welt, die an ihrer Oberfläche mit „Seen“ aufwarten kann (flüssiges Wasser gibt es nach heutiger Auffassung auch auf den Jupitermonden Europa, Ganymed und Kallisto, sowie auf dem Saturnmond Enceladus – doch eine Flüssigkeit an der Oberfläche, das ist eine ganz neue Sache).

Die titanische Seenlandschaft
Die titanische Seenlandschaft
Bei den Bildern der Cassini-Sonde handelt es sich um Radar-Bilder (nur so lässt es sich durch die mondweite Smogglocke hindurch spähen): Die Radarwellen, die von der Sonde ausgestrahlt werden, werden von der Oberfläche zurück reflektiert – je rauher die Oberfläche ist, desto stärker. Flache Oberflächen erscheinen im Bild deshalb dunkel: sie reflektieren nur einen kleinen Bruchteil der Radarwellen zurück. Für einen menschlichen Beobachter auf der Titan-Oberfläche wären diese Seen jedoch klar und praktisch durchsichtig.

Dass die Seen nur am Titan-Nordpol gefunden werden (bereits letztes Jahr wurde ein winziges, mutmassliches Seelein auch am Südpol entdeckt, aber damals war man sich der Sache überhaupt nicht sicher – das sieht jetzt heute, im Rückblick, anders aus), zeigt, dass nur dort die Temperaturen tief genug sind, um flüssiges Methan zu erlauben. Die tieferen Breiten und der Titan-Äquator sind „zu heiss“, als dass dort flüssiges Methan über eine längere Zeit existieren könnte. Die Huygenssonde ist damit quasi in einem ausgetrockneten Bachbett, einem Titan-Wadi gelandet. Das muss nicht immer so gewesen sein: da die Strahlungsleistung der Sonne mit der Zeit zunimmt, war es in der geologischen Vergangenheit wohl auch kälter auf Titan – so dass damals durchaus Meere aus flüssigem Methan hätten existieren können. Nun scheint es, wir kommen zu spät – bis auf einige Seen in der Polarregion ist es nun bereits zu heiss für flüssiges Methan auf Titan.

Natürlich kommen wir da nicht ohne ein paar Spekulationen weg. Wenn dieses Methan-Meer einst existierte – beherbergte es primitives, exotisches Leben? Werden wir Ãœberreste davon überall auf Titan verstreut finden? Gibt es Ãœberreste davon in den polaren Seen? Oder beschränkt sich allfälliges Titan-Leben auf den Ozean aus Ammoniak und flüssigem Wasser, der in einigen dutzend Kilometern Tiefe vermutlich den Mond umspannt? Oder ist Titan gar eine völlig sterile, lebensfeindliche Welt? Eines Tages werden wir es wissen: wir werden eines Tages Rover auf den Titan schicken wie heute zum Mars. Ballone werden sich von den Winden seiner Atmosphäre treiben lassen und schliesslich auch die hohen Breiten ansteuern, um einen exklusiven Blick auf die wohl exotischste Seenlandschaft zu werfen. Werden eines Tages auch Menschen auf dem Titan stehen? Dieser Mond wäre nach dem Mars nur der nächste logische Schritt.

3 Kommentare

  1. Für eine menschliche Kolonie wäre Titan in mancher Hinsicht sogar besser geeignet als der Mars: dank der viel größeren Entfernung zur Sonne und der dichten Atmosphäre dürfte die Strahlenbelastung kaum eine Rolle spielen, Wasser ist im Überfluss vorhanden und kann auch zur Erzeugung von Atemsauerstoff genutzt werden, ferner würde der Reichtum an organischen Verbindungen den Aufbau einer umfassenden (petro-)chemischen Industrie erlauben, die energetisch günstig (die Schwerkraft beträgt nur 15 % der irdischen) andere Basen/Siedlungen/Kolonien im Sonnensystem versorgen könnte – problematisch ist am ehesten die Energieversorgung, Sonnenenergie wäre selbst ohne die dunstige Atmosphäre kaum nutzbar (nur 1 % der Strahlungsmenge, die die Erde erreicht), Windenergie wäre eventuell möglich, vielleicht auch „Titanothermie“, indem flüssiges Methan durch Tiefbohrungen in der Eiskruste in den relativ warmen Ammoniakwasser-Ozean gepumpt wird, dort verdampft und Turbinen antreibt… notfalls wird man Thoriumreaktoren verwerden, wobei das Thorium natürlich importiert werden müsste.

    Das dort als hartes Gestein auftretende Wassereis ließe sich, eventuell verstärkt mit organischen Fasern als Baumaterial nutzen; aufgrund des „menschenfreundlichen“ Druckes der Titanatmosphäre (1,5 bar, das entspricht dem Wasserdruck in 5 Metern Meerestiefe) könnte auf Luftschleusen verzichtet werden, stattdessen könnte man die Wohngebäude sogar nach unten hin offen lassen, da atembare Luft bei für Menschen angenehmen Temperaturen leichter ist als die kalte Titanluft.

    Die dichte Atmosphäre in Verbindung mit der niedrigen Schwerkraft würde den (Flug-)Verkehr zwischen den einzelnen Siedlungen sehr viel einfacher machen als auf dem Mars oder selbst der Erde!

Kommentare sind geschlossen.