Gastartikel: Kryonik in der Raumfahrt

Von Björn B. In etwa 100 Jahren wird die Kryomedizin so weit sein, uns aus einem „Kälteschlaf“ reanimieren zu können. Auch für die Raumfahrt ergeben sich dadurch neue vielversprechende Möglichkeiten.

Winterschlaf im Raumschiff?
Winterschlaf im Raumschiff?
Unter Kryonik versteht man die Konservierung von Organismen in flüssigem Stickstoff bei Temperaturen von -196 Grad Celsius. In den USA wird die Kryonik bereits seit über drei Jahrzehnten als Bestattungsform angewandt, mit dem Ziel die Personen in Zukunft wiederbeleben zu können und ihre Krankheiten mit fortschrittlicheren medizinischen Verfahren zu behandeln.

Um irreparablen Schädigungen durch die Bildung von Eiskristallen vorzubeugen, wird das Blut durch „Gefrierschutzmittel“ (Glycerol) ersetzt. Durch diese Methode, auch Vitrifikation genannt, entstehen zwar durch den Zusatz von Glycerol und das spätere Abkühlen Schädigungen, welche allerdings durch den Einsatz von Nanotechnologie als reperabel gelten. Es wäre auch durchaus denkbar, dass die dem Körper zugesetzten „Gefrierschutzmittel“ so perfektioniert werden, dass keine Schäden im Körper mehr auftreten.

Die European Space Agency (ESA) hat bereits in Zusammenarbeit mit der Universität von Verona eine themenverwandte Studie durchgeführt, welche die Tauglichkeit der Hibernation (Winterstarre) für die Raumfahrt überprüfen soll. Dieses kann durchaus als Beweis für die Machbarkeit dieser Technik angeführt werden.

Die Hibernation ist aus dem Tierreich bekannt („Winterschlaf“) und ist ein Zustand, bei welchem die Atmung, der Kreislauf und die Körpertemperatur herabgesetzt werden aber nicht zum erliegen kommen. Verantwortlich hierfür ist bei Tierendas Hibernation Inducting Trigger (HIT) Protein, welches synthetisch hergestellt auch bei Menschen anwendbar wäre (neben weiteren Massnahmen). Sowohl die Kryonik als auch die Hibernation sind zwei aussichtsreiche Prozeduren, wobei die Kryonik den Vorteil hat, auf die Versorgung mit Sauerstoff und Nahrung vollständig zu verzichten.

Sobald die Kryonik ausgereift ist und zudem automatisiert wurde, ist es machbar diese Technik auch in der Raumfahrt zu verwenden. Raumfahrer könnten also in nicht allzu ferner Zukunft, auf der Erde in Kryostase versetzt werden und auf eine Mission zu weit entfernten Planeten geschickt werden. Entfernungen von 50 oder weitaus mehr Lichtjahren, wären durch eine Generation von Raumfahrern überbrückbar. Energieprobleme sowie soziale Probleme, die bei einem Generationenenschiff auftreten würden, wären zu vernachlässigen. Lediglich für den Erhalt der Kühlung der Körper wird zusätzliche Energie benötigt.

Nach dem erreichen des Zieles wird die Besatzung aus ihrem Kälteschlaf reanimiert und hat eine schier unglaubliche Strecke ohne Zeitverlust (aus ihrer Sicht) überwunden. Ganz nach dem Motto: „Eine Reise in die Zukunft“. Doch bis dahin ist noch viel Grundlagenforschung notwendig.

[i]Björn B.[/i]

Hibernation bei der ESA

9 Kommentare

  1. Auch im Menschen sollen ja Winterschlafgene latent \’schlummern\‘. Manchmal ist gerade das scheinbar wenig plausible & verrückte das richtige. Falls die Menschheit sich nachhaltig weiterentwickelt, somit nicht untergeht gewänne sie die Zeit (ansonsten verliert sie Zeit), derartige Methoden/Fähigkeiten. Wahrscheinlich so:
    1.Stufe: Hybernation (künstlicher Winterschlaf), 2.Stufe: Cryostase (klinisch tote, Tiefkühlmenschen – aber wiederbelebbar), 3.Stufe: \’Cyberstase\‘, als Datenstruktur in einer Art Von-Neumann-Sonde …

  2. Dieses Prinzip ist auch schon aus der Natur bekannt. Beim Waldfrosch Rana Sylvatica friert zuerst das Gehirn, dann Herz, Lunge und Augen ein. Trotzdem ist er nicht tot. Der Frosch überlebt Temperaturen von bis zu 10 ° Minus. Sein Trick: Im Spätherbst steigert die Froschleber den Blutzuckerwert auf das 250 fache. Das Blut transportiert die Glucose zu den lebenswichtigen Zellen. Die restlichen 65% des Frosches frieren ein. Erst wenn Tauwetter einsetzt, schlägt das Herz wieder und pumpt gerinnungshemmende Eiweiße durch den Körper, um etwaige Frostbeulen zu heilen. So hat Rana Sylvatica alle Kaltzeiten der letzten 100 Millionen Jahre überlebt- und wurde zur ältesten Froschart der Welt

    Vielleicht ist das ja ein Ansatz, der auch für Menschen nutzbar gemacht werden kann, um solche Missionen möglich zu machen . Inwiefern ein Mensch solche hohen \“Zuckerdosen\“ verträgt , ich weiss es net.
    LG

  3. Sollte sich die Methode der Kryonik auch für den zivilen Bereich etablieren bestehen durchaus gute Aussichten für die Astronauten, nach der Rückkehr von ihrer Raumfahrt auf der Erde vertraute Menschen wiederzusehen. Darüber hinaus ist es nicht unwahrscheinlich, dass auch andere Methoden der Lebensverlängerung bis dahin eine entscheidende Weiterent- wicklung erfahren.

    Den sozialen, politischen und wirtschaftlichen Entwicklungs- sprung, der derweil auf der Erde stattgefunden haben wird, könnte man möglicherweise durch eine Art Bewusstseins-Update überwinden. Dass das menschliche Gehirn in der Zukunft zumindest mit Computersystemen verknüpft sein wird ist stark zu vermuten. Eine ähnliche Situation wird sich übrigens auch für die zivilen Menschen in kryonischer Aufbewahrung nach ihrer Reanimation stellen.

    Meiner Meinung nach wird die Menschheit in der Zukunft ebenso in der Lage sein, die ethischen Fragen und Probleme zu lösen wie im Verlauf der Geschichte bis heute. Mit dem Voranschreiten der Technik werden sich auch die Bezugs- systeme der menschlichen Wahrnehmung verändern.

  4. Von allen „Möglichkeiten“, bemenschte interplanetare oder gar interstellare Raumfahrt zu betreiben, scheint mir das in der Tat noch die Option mit dem grössten Umsetzungspotenzial zu sein. Dennoch darf man auch hierbei die gewaltigen psychischen und ethischen Probleme nicht übersehen, die es zu lösen gilt (wenn sie überhaupt lösbar sind):

    – Die Raumfahrer kehren wahrscheinlich erst nach Jahrzehnten oder gar Jahrhunderten auf die Erde zurück – und das wissen die Astronauten bei der Abreise auch. Draussen im All würden sie eine neue Welt finden – vielleicht. Mit Sicherheit finden sie aber eine neue Welt vor, wenn sie „heim“ kehren: keine vertrauten Personen mehr, vielleicht völlig neue politische oder soziale Verhältnisse. Dies schon bei der Abreise zu wissen dürfte nicht unerheblich auf die Psyche drücken.

    – Immerhin wären die Raumfahrer, die die Zeit bis zur Ankunft verschlafen, wohl durchweg Freiwillige, was die ethischen Probleme, die z. B. beim Einsatz eines Generationenschiffs aufträten und die mir grundsätzlich unlösbar erscheinen, immerhin mildern würde. (Bei einem Mehr-Generationen-Raumflug wäre ja schon die zweite Generation eine Generation von Unfreiwilligen, Gefangenen und Sklaven, denen man die grundlegenden Menschenrechte wie das Recht auf Freizügigkeit, persönliche Entfaltung etc. pp. von Geburt an geraubt hätte.) Dennoch halte ich es für fragwürdig, ob man Menschen – auch wenn sie sich freiwillig dazu melden – auf eine Reise schicken darf, die aufgrund der riesigen Zeiträume de facto ein Never-come-back-Unternehmen ist.

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