Kann der Klimawandel die Erde zu einer zweiten Venus machen?

Venus ohne Wolken
Die normalerweise von Wolken verdeckte Oberfläche unseres Nachbarplaneten Venus. Mosaik aus Radar-Bildern der US-Raumsonde Magellan (Quelle: NASA/JPL).

In Diskussionen zum menschgemachten Klimawandel kommt manchmal die Frage auf, was denn eigentlich der schlimmste mögliche Ausgang sein könnte. Eine Antwort, die man darauf gelegentlich hört (sogar von Wissenschaftlern), ist: der Klimawandel gerät ausser Kontrolle und wir machen die Erde zu einer zweiten Venus. Was genau muss man sich darunter vorstellen, und – ist das wirklich eine reale Gefahr?

Die Venus, unser innerer und nächster Nachbarplanet, wird manchmal als „Schwesterplanet“ der Erde bezeichnet. Doch mal abgesehen davon, dass die beiden Planeten eine ähnliche Grösse (Venus = 95% der Erde) und eine ähnliche Masse (Venus = 81.5% der Erde) aufweisen, könnten ihre Oberflächen kaum unterschiedlicher sein. Schuld daran ist die massive Atmosphäre der Venus, die hauptsächlich aus Kohlendioxid besteht und an der Oberfläche einen Druck von über 90 Atmosphären ausübt (wie in etwa 900 Metern Tiefe im Ozean). Dies sorgt für einen massiven Treibhauseffekt, der die Oberflächentemperatur auf höllische 460°C hochtreibt.

Wie kann es sein, dass zwei so ähnliche Planeten so unterschiedliche Oberflächen aufweisen? Intuitiv würde man jetzt antworten, Venus sei eben näher an der Sonne. Aber mit einer CO2-freien Atmosphäre und einer erdähnlichen Albedo (dem Anteil des Sonnenlichts, das vom Planeten reflektiert wird; für die Erde etwa 30%) läge die mittlere Oberflächentemperatur der Venus bei „nur“ etwa 40°C. Ein Wüstenplanet, ja, aber keine Hölle. Es ist auch nicht so, dass die Venus deutlich mehr CO2 als die Erde insgesamt hätte – bei der Erde ist dieses CO2 allerdings fast vollständig als Kalk in Sedimenten gebunden. Würden alle Kalke weltweit aufgelöst, hätte auch die Erde eine Atmosphäre mit etwa 50 bar CO2.

Weshalb also der extreme Unterschied zwischen den Planeten? Die Erde war schon früh kühl genug für Ozeane, und im Wasser gelöstes CO2 kann dort gut mit Kalzium reagieren und Kalk bilden. So wurde das CO2 allmählich aus der Atmosphäre gewaschen. Es spricht vieles dafür, dass es auch auf der frühen Venus Ozeane gab: das Wasser der Erde kam vermutlich von Asteroiden – auch die Venus muss von Asteroiden getroffen worden sein. Während es heute auf der Venus kein Wasser mehr gibt, deutet der hohe Deuterium-Gehalt des verbleibenden Wasserstoffs darauf hin, dass die Venus einst sehr viel Wasserstoff an den Weltraum verloren hat.

Wissenschaftler vermuten, dass die Venus bereits an einem frühen Punkt ihrer Geschichte in ein unkontrolliertes Treibhaus (englisch „runaway greenhouse“) eingetreten ist. Hohe Oberflächentemperaturen führen zunächst zu einem massiven Anstieg des Wasserdampfs in der Atmosphäre, die deshalb undurchsichtig wird. Dadurch kann der Planet nicht mehr effizient Wärme abstrahlen – ist die Sonneneinstrahlung stärker als die maximale Abstrahlung, heizt er sich unkontrolliert auf, bis die Oberfläche ca. 1100°C erreicht – erst ab dieser Temperatur kann die Wärmestrahlung der Oberfläche wieder entweichen. Der Ozean verdampft dabei komplett, alles Wasser steigt in der Atmosphäre auf und wird von der UV-Strahlung in Wasserstoff und Sauerstoff zerlegt, der Wasserstoff entweicht.

Ist so eine katastrophale Entwicklung auch auf der Erde denkbar? Es wäre wohl das Ende allen Lebens. James Hansen, ein berühmter US-Klimawissenschaftler und -aktivist, meinte 2009: „Wenn wir alle Öl, Gas, und Kohlereserven verbrennen, gibt es eine beträchtliche Chance dass wir in einen extremen Klimazustand eintreten. Ich glaube, wenn wir auch die Teersande verbrennen, wird das „Venus Syndrom“ [ein unkontrolliertes Treibhaus] unausweichlich.“ Diese Aussage ist – wörtlich genommen – aber vermutlich nicht haltbar: Zu diesem Schluss kam eine Arbeit von 2012, die genau diese Frage studiert hat – das Preprint dazu kann auf arxiv frei heruntergeladen werden. Warum?

Die Energieeinstrahlung der Erde (heute ca. 239 Watt/m2) lässt sich, egal welche Klimaparameter man wählt, nicht auf das Limit von etwa 385 Watt/m2 hochschrauben, das für ein unkontrolliertes Treibhaus nötig wäre. Selbst 100 bar CO2 würden nicht ausreichen – zumindest soweit man den Klimamodellen, die natürlich nicht für so extreme Szenarien entwickelt wurden, vertrauen kann. Die heutige Sonneneinstrahlung, so die Autoren der Studie, ist einfach zu schwach. Das scheint zunächst einmal beruhigend. Doch neben dem unkontrollierten Treibhaus gibt es noch einen zweiten extremen Treibhauszustand, ein sogenanntes „Dampftreibhaus“ (englisch „moist greenhouse“).

Im Gegensatz zum unkontrollierten ist das Dampftreibhaus ein einigermassen stabiler Zustand: die Durchschnittstemperatur der Erde ist massiv höher als heute (z.B. 60°C – der genaue Wert hängt von der Menge an Treibhausgasen in der Atmosphäre ab). Die Troposphäre enthält einige Prozent Wasserdampf, der Wasserdampf-Anteil der Stratosphäre ist so hoch, dass die Ozonschicht durch dieses Wasser zerstört wird. Wasser, das auf grosse Höhen aufsteigt, wird dort von der UV-Strahlung zerlegt, Wasserstoff entweicht (auf menschlichen Zeitskalen ist dieser Prozess unbedeutend). Die Klimasensitivität ist viel höher als heute, das heisst, die Temperatur reagiert in diesem Zustand stärker auf zusätzliche Treibhausgase.

Das Erreichen des Dampftreibhauses erfordert – gemäss einer Arbeit von Jim Kasting und Thomas Ackerman aus dem Jahr 1986 – eine atmosphärische CO2-Konzentration von ca. 10’000 ppm – heute sind wir „erst“ bei 400 ppm. Wahrscheinlich hat sich James Hansen bei seiner Aussage auf dieses Szenario bezogen – denn 10’000 ppm entspricht tatsächlich etwa der Menge an CO2, welche die komplette Verbrennung aller bekannten fossilen Brennstoffe freisetzen würde. Das Dampftreibhaus ist die grundsätzlich mögliche, ultimative Klimakatastrophe, die grosse Teile der Erde unbewohnbar machen würde – schlimmer noch als die 6 Grad Erwärmung, die im IPCC-Bericht als Worst-Case-Szenario diskutiert werden. Bleibt zu hoffen, dass die fossilen Brennstoffe mehrheitlich im Boden bleiben und es deshalb nie dazu kommen wird.

5 Kommentare

  1. Die Grenze für ein unkontrolliertes Treibhaus durch Wasserdampf bei hohen Temperaturen liegt bei 280 bis 290 W/m², nicht bei 385 W/m². Das ist deutlich näher an den heute absorbierten 238 W/m².
    Das würde, bei gleichbleibender Albedo, in ca. 2 Mrd. Jahren erreicht.
    Ob sie bei heutiger Sonneneinstrahlung durch eine Temperaturerhöhung erreicht werden kann, hängt davon ab, wie sich die Albedo bei hohen Temperaturen verhält, was noch Gegenstand aktueller Forschung ist.
    Die Arbeiten von Kasting aus den 1980er und 1990er sind überholt. Damals wurde die Absorption und Streuung an Wasserdampf nur unzureichend berechnet.

    • Das Dampftreibhaus (jenseits von 10’000 ppm) ist im Vergleich zum unkontrollierten Treibhaus stabil: es ist zwar sehr warm, die Atmosphäre ist mit Wasser gesättigt, aber es kommt nicht zu einem positiv verstärkten Kreislauf, bei dem alle Ozeane verdampfen – deshalb „einigermassen stabil“. Das heisst, es kann gut sein, dass die Erde am Anfang in einem Dampftreibhaus-Zustand war, diesen Zustand später aber wieder verliess, nachdem genug CO2 aus der Atmosphäre ausgewaschen worden war. Das scheint sogar recht plausibel wenn man bedenkt, dass an der Wurzel des „Baum des Lebens“ thermophile Einzeller zu finden sind, die am besten in heissen Umgebungen gedeihen. Anderseits sollte man auch bedenken, dass CO2-Konzentrationen für präkambrische Zeiten eher mit Vorsicht zu geniessen sind, weil es keine guten „Proxies“ gibt. Teilweise basieren solche Werte sogar einfach auf Modellen, sollten also als „CO2-Äquivalente“ gelesen werden (könnte z.B. ein Teil Methan sein, ein Teil Wasserdampf, etc.).

    • Das gilt für die heutige Sonneneinstrahlung.
      Vor ~3,5 Mrd Jahren war die Strahlung der Sonne um 20 bis 25 Prozent geringer als heute. Das hat einen großen Einfluss.

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