Gastartikel: Citizen Science – Wissenschaft für alle!

Ein Gastartikel von Sebastian Frehmel. Mein Name ist Sebastian und ich bin Planetenjäger. Gerade ist eine wissenschaftliche Arbeit über eine meiner Entdeckungen veröffentlich worden. Aber ich bin kein Astronom – wie ist das denn möglich? Dazu muss ich ein wenig ausholen.

Planethunters Webseite
Die Planethunter Webseite – mit dem Planeten, den der Autor entdeckt hat

Zu den faszinierendsten Bereichen der Astronomie gehört zweifelsohne die Suche nach extrasolaren Planeten, also Planeten, die um andere Sterne kreisen.Nicht nur aufgrund dessen, dass sich Laien unter diesem Thema leicht etwas vorstellen können, sondern auch, weil es einen Aufbruch ins Unbekannte darstellt, der die Phantasie beflügelt wie vielleicht zuletzt die grossen Meeresexpeditionen vor einem halben Jahrtausend oder der Aufbruch ins Weltall vor einem halben Jahrhundert.

Allem voran steht die Frage: Gibt es Leben auf anderen Planeten? Gibt es irgendwo dort draussen eine zweite Erde?

Diese elementaren Fragen begeistern einen interessierten Laien wie mich (ich bin Informatiker) und es war für mich bis im November des letzten Jahres klar, dass man Antworten auf diese Fragen nur durch qualifizierte Wissenschaftler bekommen wird – doch ich hatte die Rechnung ohne das Internet gemacht.

Ich kannte zu diesem Zeitpunkt bereits SETI@home, eine Software, mit der man seit 1999 einen kleinen Teil der Radiosignale, die vom SETI-Projekt (Search for Extraterrestrial Intelligence) bereitgestellt werden, auf dem eigenen Rechner analysieren lassen kann. Das installierte Programm läuft im Hintergrund und untersucht die Daten vollautomatisch auf intelligente Signale von Ausserirdischen. Mittlerweile ist SETI@home auf die BOINC-Plattform aufgesteigen, die noch viele weitere ähnliche Anwendungen bereitstellt.

SETI@home stellt also die erste Anwendung dar, mit der sich jeder an einem wissenschaftlichen Projekt beteiligen kann. Der Haken ist allerdings, dass dieses Projekt keinerlei Interaktion vom Benutzer erfordert und zudem bisher noch kein Signal einer anderen Zivilisation zu Tage gefördert hat.

Diese Art der Einbeziehung der Internetnutzer wurde erst durch den Launch der Zooniverse-Plattform 2007 geändert. Zooniverse ist das Dach für eine Fülle an von einander unabhängigen Projekten, die alle auf die Hilfe des normalen Internetnutzers angewiesen sind, um ihre jeweiligen Aufgaben zu erfüllen. Zum Zeitpunkt des Starts gab es nur ein Projekt in Zooniverse, nämlich „Galaxy Zoo“. Dort klassifiziert man Aufnahmen von Hubble, die eine weit entfernte und damit nur sehr undeutlich erkennbare Galaxie zeigen, nach dem Typ der Galaxie (Spiralgalaxie, Balkenspirale, elliptisch etc.). Das berühmteste dadurch gefundene Objekt ist „Hanny’s Voorwerp“ (das kurioserweise gar keine Galaxie ist).

So begann ich mich vor etwa einem Jahr zuerst mit „Galaxy Zoo“ zu beschäftigen. Da mir die Klassifizierungsmöglichkeiten jedoch zu ungenau waren, verlor ich relativ schnell die Motivation, weiterzumachen.

Das änderte sich jedoch schlagartig, als im November 2010 ein Newsletter in meiner Inbox landete, in dem das Projekt „PlanetHunters“ auf Zooniverse angekündigt wurde. Bei „PlanetHunters“ sollten wirklich echte Lichtkurvendaten des NASA-Weltraumteleskops „Kepler“ – von allen zugänglich – auf die Anzeichen von Exoplaneten untersucht werden können.

Das muss man sich so vorstellen, dass Kepler die Licht-Intensität eines Sterns, wie sie an der Erde ankommt, etwa einmal alle 30 Minuten misst. Zieht nun ein Planet, der diesen Stern umkreist, von uns aus gesehen genau vor dem Stern entlang (Transit), verringert sich die Lichtintensität minimal (im Falle eines Jupiter-grossen Planeten etwa um 1%). Keplers Sensoren sind aber empfindlich genug, um diesen Unterschied zu registrieren. Aus der daraus resultierenden „Lichtkurve“ lässt sich die Grösse des Planteten (im Verhältnis zu seinem Stern) und über die Dauer des Transits auch der Abstand von seinem Stern herleiten.

Das menschliche Auge kann heutzutage immer noch besser als ein Computer eine Besonderheit in einem sonst recht verrauschten Bild finden, weshalb aus Sicht der Forscher die Beteiligung von Laien an solchen „Citizen-Science“-Projekten durchaus erfolgversprechend ist.

Meine Vorfreude stieg von Tag zu Tag, bis am 16. Dezember die Plattform geöffnet wurde. Und ich wurde nicht enttäuscht. Die Benutzeroberfläche war top und ich hatte nach kurzer Eingewöhnungszeit, da das Tutorial (wohl absichtlich) äusserst knapp gehalten war, schnell Erfolgserlebnisssse.

Ich lernte mit der Zeit zwischen sich verdeckenden Doppelsternsystemen („eclipsing binaries“) und echten Planetentransits zu unterscheiden und hatte nach drei Wochen schon fast 1000 Lichtkurven analysiert, mit geschätzten 60 markierten Transits bzw. solchen, die ich dafür gehalten habe.

Und dabei hatte ich ja erst sechs Monate zuvor wieder begonnen, mich mit Astronomie zu beschäftigen. Als Kind hatte ich, bis ich etwa 14 Jahre alt war, Bücher darüber verschlungen (das Internet machte damals, wenn überhaupt, noch hässliche Kratz- und Quietschgeräusche). Es dauerte nicht lange, bis die Faszination zurückkehrte und ich mich auf den neuesten Stand gebracht hatte (Jupiter hatte in der Zwischenzeit z.B. ca. 40 Monde mehr gekriegt, ganz zu schweigen von den faszinierenden Bildern des Hubble-Teleskops).

In den nächsten Monaten analysierte ich immer wieder mal eine Lichtkurve, bis ich im Juli 2011 eine Mail der Projektleiterin Meg Schwamb bekam. In dieser Mail wurde ich beglückwünscht, dass ich wahrhaftig einen Planeten gefunden hatte! Ich wurde gefragt, ob ich meinen Namen preisgeben wollte, damit er in einem wissenschaftlichen Artikel (ein Paper) aufgeführt werden kann. Ich willigte selbstverständlich ein und war ziemlich glücklich, einer von nur wenigen Menschen auf der Welt zu sein, die als erstes mit einem Citizen-Science-Projekt eine wissenschaftliche Entdeckung gemacht haben. Die ersten Entdecker eines Planeten wurden in der Autorenliste des Papers erwähnt und die jeweils zweiten und dritten bei den Danksagungen (jede Lichtkurve wurde verschiedenen Benutzern gezeigt). Dort steht auch mein Name und ich bin stolz drauf, gerade weil die Lichtkurvenauswahl von „PlanetHunters“ zufällig vorgegeben wird, und man sie nicht selber auswählen kann.

Bis zur Bestätigung, dass das Paper eingereicht wurde, hatte ich nichts vom „PlanetHunters“-Team gehört und auch sonst kam es zu keinerlei Zusammenarbeit mit den beteiligten Wissenschaftlern. Es gab keine Anordnungen, bis zu einem bestimmten Zeitpunkt mit der Bekanntgabe, dass ich einen Planeten gefunden hatte, zu warten, weshalb ich diese Neuigkeit auf gleich im Astronews.com-Forum verbreitete. In Zuge dessen wurde ich auch vom Autor von final-frontier.ch gefragt, ob ich diesen Artikel schreiben wollen würde. Vielen Dank dafür!

Ich habe nach 1500 Lichtkurven aufgehört, Planeten zu klassifizieren. Das lag vor allem daran, dass aus den anfänglichen 30-Tage-Lichtkurven mittlerweile 120-Tage-Lichtkurven wurden und es somit immer schwerer wurde, leichte Veränderungen in den Lichtkurven zu finden. Ausserdem leidet darunter die Performance meines Rechners, der sich nicht mehr zuverlässig bedienen liess, gerade was das Markieren von Transits anging. Eventuell sollte ich mir dafür einen neuen Rechner anschaffen 😉

Für Neueinsteiger in die Planetensuche würde ich dem „PlanetHunters“-Projekt jedoch empfehlen, ein ausführlicheres Tutorial zu gestalten. Man weiss erst nach ca. 100 Lichtkurven, wonach man denn eigentlich genau suchen muss. Daran sieht man gut, dass solche Citizen-Science-Projekte mit ihrer Bedienbarkeit stehen und fallen.

Das heisst aber nicht, dass ich mich nicht mehr an Citizen-Science-Projekten beteilige.

Momentan habe ich jetzt einem anderen Projekt auf Zooniverse gewidmet: „IceHunters“, was noch besser bedienbar ist. Dort sollen Kuiper-Belt-Objekte aus Daten verschiedener Teleskope mit Hilfe des menschlichen Auges aus dem Hintergrundrauschen der dahinterliegenden Sterne herausgefiltert werden. Das Ganze hat den Zweck, ein oder mehrere Ziele für die Sonde „New Horizons“ zu finden, nachdem sie 2015 am Pluto vorbeigeflogen ist – äusserst spannend wie ich finde!

Es warten dort noch etwa 150000 Aufnahmen auf ihre Analyse – Zeit mitzumachen!

Links:

http://www.planethunters.org

http://www.zooniverse.org

http://www.icehunters.org

http://setiathome.berkeley.edu/

http://kepler.nasa.gov

http://www.astronews.com

http://arxiv.org/abs/1109.4621

Dieser Artikel wurde, auf Einladung von final-frontier.ch, geschrieben von Sebastian Frehmel.

4 Kommentare

  1. Grundsätzlich eine super Sache.

    „Die Frage ist, würden die Anwender die Energie nicht auch verbrauchen, wenn sie nicht an SETI@home teilnehmen würden?“

    Ich hab selbst von Anfang an an SETI@home teilgenommen und hatte es auf allen Rechnern laufen. Bis ich bemerkt habe wie viel Strom das kostet, dann hab ich es wieder gelassen.
    Ich verbrauche diesen Strom ohne SETI@home nicht. Die Antwort auf die Frage ist also ein klares Nein.

    Ich hab auch im Galaxy Zoo schon ein paar hundert Galaxien klassifiziert. Und auch schon andere Sachen probiert.
    Das einen nichts wirklich lange bei der Stange halten kann liegt wohl in der Natur der Sache. Aber genau darum geht es, wenn jeder nur ein paar hundert oder weniger macht, bis es langweilig wird, kann man in der großen Maße doch einiges bewegen.

  2. Es macht einen großen Unterschied beim Stromverbrauch, ob dieser im Leerlauf ist oder ob der Prozesser gerade viele Daten verarbeiten muss. Das ist nicht wirklich ein Zeitaspekt, sondern nur eine Frage der Datenmenge, die verarbeitet werden muss, vom dem der Energieverbrauch abhängt.

    Zum Artikel: Ich selber bin bei IceHunters mehr oder weniger aktiv und ich finde es einfach nur toll. Bei jedem Bild fragt man sich, ob man vielleicht das vor Augen hat, was die Leute von der NASA brauchen.

  3. „der Energiebedarf ist enorm.“

    Die Frage ist, würden die Anwender die Energie nicht auch verbrauchen, wenn sie nicht an SETI@home teilnehmen würden?

  4. Schöner Artikel. Auch ich hatte schon 1999 am Seti@home-Projekt teilgenommen. Nach einiger Zeit habe ich es aber wieder gelassen, denn letztendlich haben auch solche Projekte eine düstere Kehrseite: der Energiebedarf ist enorm. Ich bin mir sicher, dass ein einzelnes, gut geplantes Rechenzentrum bei der gleichen Rechenleistung, die alle Seti@home-Teilnehmer einbringen, deutlich energiesparender arbeiten könnte.

    Ein weiterer Kritikpunkt, vor allem auch an aktuellen Projekten wie planethunters oder icehunters: wieso nur auf englisch? Die Wissenschaft bekommt hier fast zum Nulltarif eine enorme Arbeitsleistung geboten. Ist es da zuviel verlangt, die Webseiten und Beschreibungen in die wichtigen und verbreiteten Sprachen zu übersetzen? So schließen sie einen großen Teil potentieller Nutzer aus. Mich z.B., ich verstehe englisch zwar halbwegs, und könnte mich sicherlich auch durch die Beschreibung solcher Projekte kämpfen. Ich sehe es aber schlicht und einfach nicht ein, auch noch dafür wertvolle Zeit aufzubringen. Immer mit dem Risiko, dass ich dann doch etwas falsch verstehe und deshalb felher mache – am Ende vielleicht meine Arbeit für die Katz ist.

    Bitte mich nicht falsch zu verstehen. Prinzipiell finde ich solche Projekte gut, und würde auch sicherlich die ein oder andere Minute freier Zeit dafür spenden. Doch wenn ich diese Leistung schon zur Verfügung stele, erwarte ich wenigstens, dass die Bedienung für mihc klar und ersichtlich ist, dazu gehört auch eine entsprchend lokalisierte Webseite/Anleitung.

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