Du sollst nicht an den Fortschritt glauben – aber warum denn eigentlich nicht?

Manchmal scheint es, die Zeit der grossen technologischen Visionen sei vorbei. Bringt man denoch eine, wie so oft auf dieser Webseite, dann heisst es nur allzu oft: Das ist blinder (oder auch: naiver) Fortschrittsglaube. Anderseits hat die Geschichte der Menschheit gezeigt, dass technologischer Fortschritt eine der wenigen grossen Konstanten ist, die sich durch die gesamte Menschheitsgeschichte zieht. Die Frage scheint also vielmehr zu sein: weshalb darf man nicht mehr an den Fortschritt glauben?

Es spielt keine grosse Rolle, worum es geht, die Liste der Beispiele ist lang. So kann man z.B. kaum sagen, dass Atomkraftwerke eine Reihe von Vorteilen haben, dass sie praktisch CO2-frei sind, dass die Anzahl Opfer, die ihr Betrieb gefordert hat, über die Zeit ihrer Existenz und die Menge produzierten Stroms extrem klein ist, im Vergleich zu anderen Formen der Stromerzeugung. Fügt man dann noch hinzu, dass künftige Generationen von Reaktoren noch sicherer sein werden als heute, dass es technische Lösungen für die radioaktiven Abfälle gibt (Transmutation), dass die Uran- und Thoriumreserven weltweit praktisch unerschöpflich sind – dann fällt bald unvermeidlich das Verdikt (meist aus einem bestimmten politischen Lager): Blinder Fortschrittsglaube.

Sagt man anderseits, dass die Sonne die grösste bisher unangezapfte Energiequelle ist, die der Menschheit heute zur Verfügung steht, dass die bisherige Technologieentwicklung in diesem Bereits stets in Richtung höheren Effizienzgraden und niedrigeren Produktionskosten gegangen ist, und dass es somit wahrscheinlich ist, dass wir eines Tages einen sehr grossen Teil des benötigten Stroms aus dieser Quelle beziehen werden, dann heisst es bald (diesmal aus einem anderen politischen Lager): Naive Zukunftsvorstellungen.

Genauso verhält es sich mit anderen Zukunftstechnologien oder vorstellbaren Entwicklungen: Extreme Lebensverlängerung, künstliche Intelligenz, bemannte Raumfahrt (ein anscheinend besonders beliebtes Spielfeld), Kernfusion, CO2-Abscheidung aus der Atmosphäre, Kontrolle des Klimawandels, Gentechnologie, fortlaufendes Wirtschaftswachstum… Überall ruft die Diskussion von Technologie oder ihrer Auswirkungen früher oder später die Fortschrittskritiker auf den Plan. Die Argumente mögen je nach politisch-gesellschaftlichem Hintergrund etwas variieren, aber im Grundsatz sind sie sich offenbar einig: Fortschritt, das gibt es eigentlich nicht. Wer trotzdem daran glaubt, ist blind und naiv, und gehört bestenfalls mit den enthusiastischen Futuristen der 60er Jahre verglichen.

Woher kommt das? Schaut man sich die Menschheitsgeschichte an, dann sieht man recht schnell, dass es nur wenige Konstanten gibt, die sich da ganz durchziehen: Zum einen scheint die Bevölkerung stetig gewachsen zu sein. Zum anderen scheint es aber auch so, dass das, was die Menschen mal gelernt haben, nicht mehr wirklich verlernt wird. Sicher, es gibt Zivilisations- und Bevölkerungskollapse, es gibt Dunkle Zeitalter – aber über die Menschheitsgeschichte als Ganzes geschehen gab es stets nur eine Entwicklung: Vorwärts. Vor 100000 Jahren waren wir weiter von der heutigen Technologie entfernt als vor 10000, vor 10000 weiter als vor 1000, vor 1000 weiter als vor 100 Jahren, und auch in den letzten 100 Jahren gab es in Sachen Technologieentwicklung nur eine Richtung: Vorwärts. Fortschrittsglaube ist also weder „blind“ noch „naiv“: er ist stattdessen tief in der Beobachtung verankert.

Noch nie hatten so viele Menschen Zugang zu Technologie wie heute. Noch nie hatten so viele Menschen die Möglichkeit, diese Technologie zu verbessern, noch nie stand uns ein so grosser Fundus von Wissen über die Geschichte der Menschheit und über den Kosmos, in den sie eingebetet ist, zur Verfügung. Vielleicht waren wir uns noch derart bewusst, dass Technologie auch Gefahren birgt, dass Zivilisationen auch kollabieren können. Dieses Wissen sollte uns aber nicht dazu bringen, der Technologieentwicklung selbst kritisch gegenüber zu stehen: Der Fortschritt wird ohnehin weiter gehen. Alles, was technologisch möglich ist, wird früher oder später erfunden werden – so lange es Menschen und damit Erfinder gibt. Wir sollten dieses gewaltige Wissen vielmehr nutzen, um abzuschätzen, wo weitere Technologieentwicklung nötig ist: Wenn die Nutzung von Atomenergie gewissen Staaten den geheimen Bau von Atombomben ermöglicht, dann müssen eben Atomreaktoren vorangetrieben werden, die sich nicht für den Bau von Atombomben nutzen lassen. Wenn der Abbau von Rohstoffen die Natur gefährdet, müssen neue Abbautechniken, Abbaugebiete oder Ersatzstoffe gesucht und entwickelt werden.

Ich befürchte, die Ablehnung von Fortschritt und Technologie hat auch noch einen anderen wichtigen Grund: Die langsame Alterung, und Überalterung der Gesellschaft. Fortschritt wird mit Jugendlichkeit in Verbindung gebracht, und war besonders zu Zeiten populär, in denen viele junge Menschen lebten und ihre kreativen Ideen einbringen und zur Entwicklungsreife bringen konnten. Eine alternde Gesellschaft hingegen, in denen immer weniger junge Menschen die Versorgung von immer mehr alten Menschen übernehmen müssen, kann, ja darf sich offenbar keine Visionen mehr leisten und muss sich stattdessen auf die Wahrung des Bestehenden konzentrieren. Dies scheint auch dadurch bestätigt, dass der Fortschrittsglaube in den „jungen“ USA (2.5 2.0 Kinder pro Frau) deutlich weiter verbreitet ist als im „alten“ Europa (1 1.5 Kinder pro Frau). Diese Entwicklung ist bedenklich, aber sie ist (noch) nicht global: der Fortschritt wird halt eben nur woanders in der Welt stattfinden, mit der Folge, dass die Gesellschaft hier ärmer und schwächer werden wird.

Wagen wir wieder Fortschritt! Wir können die Zukunft und die Probleme, vor denen die Menschheit steht, anpacken – aber wir müssen zuerst daran glauben, dass es möglich ist.

27 Kommentare

  1. Ich möchte zu bedenken geben, dass die meisten Kritiker des Fortschritts ohne diesen gar nie geboren worden wären. Ihre Kritik wird unter diesem Blickwinkel zur Kritik am eigenen Dasein, wessen sich die Kritiker aber wohl gar nicht bewusst sind.
    Darüber hinaus glaube ich, dass der Begriff Fortschritt nur positiv behaftet sein kann. Ich möchte aber gar nicht abstreiten, dass der Fortschritt auch Kehrseiten, wie z.B. Umweltverschmutzung haben kann. Streng genommen ist ein eingetretenes Umweltproblem aber kein Fortschritt, sondern ein Rückschlag bzw. ein Rückschritt. Mit dieser Argumentation bleibt der Begriff Fortschritt makellos und es gibt keinen vernünftigen Grund Fortschritt abzulehnen. Der Fortschritt wird erst ab demjenigen Zeitpunkt unerwünscht, bei dem sich das Paradies eingestellt hat und jedermann hofft, dass der erreichte Zustand niemals mehr vergeht.

  2. @Araya:
    Ich kann Deine Einschätzung nicht ganz teilen. Gerade die Entwicklung der Computertechnik inkl. Internet und allem was dazu gehört zeigt welche gewaltigen Sprünge auch heute gemacht werden. Wir haben heute Techniken die kaum ein Science-Fiction-Film der Vergangenheit auch nur entfernt vorhergesagt hätte.

    Ich bin auch alles andere als ein Freund der Grünen, aber ich finde es richtig daß es Gruppierungen gibt, die zu Vorsicht mit der Technik mahnen. Die Frage, ob man alles umsetzen muß was umsetzbar ist, ist eine sehr wichtige und wie man anhand der Atombombe oder der Gentechnik sieht durchaus berechtigt. Nur müssen solche Fragen global beantwortet werden.

    Deine Ausführungen zu den Weltkriegen sind allerdings komplett falsch oder reine Spekulation. Penicilin war ein Zufallsfund, völlig unabhängig vom Krieg, auch die anderen Dinge wurden nicht erfunden weil irgendein Kriegsminister das gefordert hätte, sondern weil findige Tüflter sich das haben einfallen lassen. Daß die Militärs das dann förderten ist in Deiner Argumentation unerheblich – denn diese Rolle hat heute die Wirtschaft bzw. die Firma die das Ding dann vermarkten will. Das geht also auch ohne daß zig Millionen Menschen sterben.
    Mal umgekehrt gefragt: Stell Dir mal vor wie weit wir evtl. schon sein könnten wenn all die begabten Menschen die in den Kriegen sterben mußten noch am Leben gewesen wären!

    Gruß Alex

  3. Fortschritt gibt es überall sei es in täglichen leben oder in großen Maßstäben doch leider wird von letzteren faktisch nichts mehr umgesetzt, die Energie der Pionierzeit ist Trägheit, Ideologie und Stagnation gewichen. War früher der Leitsatz “schneller, weiter, höher“ so ist es heute wohl der “billiger, langsamer, oder gar Bloß nicht“. Dabei war die Welt nie reicher, die Technischen Möglichkeiten nie größer als jetzt doch Ideologie und Kleinkariertheit wie das zunehmende Aufkommen Fortschrittsfeindlicher Bewegungen (z.b. den Grünen in Deutschland) verlangsamen oder lähmen zusehends den technischen Fortschritt.

    Ich nannte die Grünen in Deutschland und Österreich ganz bewusst, da man gerade an dieser Ideologischen Bewegung gut verdeutlichen kann wie Fortschritt durch Ideologie erstickt oder gebremst wird bzw. wie auf Basis von Ideologie versucht wird den Fortschritt zu kanalisieren. So will z.b der Grüne in seinen Ideologischen Wahn um jeden Preis die Kernfusion torpedieren, den Atomstrom wie auch die Förderung Unkonventioneller Fossile Brennstoffe verbieten.Für die Grünen kann nur Sparren, eine massive Wohlstands Minderung und ÖKO Strom in einer eng begrenzten Definition als Lösung der Energieprobleme unserer Welt in Betracht kommen. Alternativen werden aktiv bekämpft und Unwirtschaftlichkeit aktiv gefördert und somit der Fortschritt erstickt und das zum Nachteil der breiten Masse. Leider finden sich ähnliche Ideologische Bewegungen überall in der Westlichen Welt wenn auch mit starken unterschieden und andere Motiven. Oft ist es aber auch einfach nur die Kleinkariertheit und die Bequemlichkeit die großes Verhindernd.

    Es scheint leider auch so zu sein das der Mensch erst in Krieg seine Größe zeigt wehrend er in Frieden erlahmt und stagniert. So etwa wurden die größten Fortschritte der Menschheit immer als Folge großer Militärischer Konflikte erreicht den nur unter diesen extremen Gegebenheiten öffnen sich die Schleusen des Fortschrittes und fahlen kleinkarierten Interessen und Ideologien bei Seite.

    So hätte es allein ohne den 1 und 2 Weltkrieg und den folgenden kalten Krieg keine Raketen, keine Strahltriebwerke, keine Raumfahrt, keine moderne Medizin, keine Atomkraft, kein Internet, keine Globalisierte Welt wie auch zigtausend andere Dinge des Alltäglichen Lebens nie gegeben.

  4. Zufälligerweise bin ich gerade daran, eine Kommentar-Edit-Funktion einzubauen, damit solche Vertipper in Zukunft korrigiert werden können.

    Das mit dem Klimawandel meinte ich so, dass aus Sicht von jemandem, der die Gesellschaft „verbessern“ will, der Klimawandel die nötige Gelegenheit dazu darstellt. „Wenn wir uns nicht ändern, kommt es zur Katastrophe“ – und das wissenschaftlich verbrieft! Das ist doch die ideale Gelegenheit, um endlich mal den lange gehegten Wunsch zur tiefgreifenden Veränderung der Gesellschaft zu verwirklichen… Nur, dass es nicht so funktioniert: Auswege aus dem Klimawandel gibt es auch ohne „Veränderung der Gesellschaft“, etwa über den massiven Ausbau der Atomenergie auf Kosten der fossilen Energien. Aber solche technologischen Lösungen sind dann – zumindest für diese Leute – nicht „erlaubt“.

  5. „alten ihn aber, weil er eben nicht vorhersehbar ist, für einen zu unseren Faktor.“

    sollte „unsicheren Faktor“ heißen.

    „beispielsweise das Wahlrecht wurde erst nach dem ersten Weltkrieg eingeführt.“

    Hier fehlt ein „allgemeine“ vor „Wahlrecht“.

    Ich bitte um entschuldigung, ich habe während des Schreibens abgesetzt.

    @By Alex, 12. Oktober 2011 @ 11:39:
    „Hat jemand andere Vorschläge wie dies effektiv erreicht werden könnte?“

    Vereine gründen, bzw. ihnen beitreten und dann allen Leuten von seinen coolen Hobby erzählen?

  6. By Matthias Meier, 11. Oktober 2011 @ 18:11:
    „Diese Leute lehnen also die mögliche technische Lösung ab, weil sie viel lieber den Menschen an sich verbessern möchten.“

    Nicht alle. Viele Leute sehen den Nutzen technischen Fortschrittes ja ein, halten ihn aber, weil er eben nicht vorhersehbar ist, für einen zu unseren Faktor.

    „eine technische Lösung ist eine – aus ihrer Sicht moralisch unangebrachte, ja vielleicht sogar verwerfliche – Abkürzung“

    So könnte man es abkürzen.
    Aber natürlich gibt es auch gesellschaftliche Probleme, die sich am Besten durch eine Änderung des Verhaltens lösen lassen als durch die Hoffnung, das werde sich schon alles durch neue Erfindungen lösen.

    Btw: Großbritannien während der Industriellen Revolution ist dafür vielleicht ein gutes Beispiel. Dort blieb die soziale Ordnung nach den „Glorious Revolution“ – der Parlamentarismus mit eingeschränkten Wahlrecht für die Bevölkerung und der Mitbestimmung des Adels, gewisse persönliche Freiheiten, Rechte und Privilegien, sowie eine sehr beschnittene Macht des Monarchen – weitgehend unangetastet (beispielsweise das Wahlrecht wurde erst nach dem ersten Weltkrieg eingeführt. Den Adel gibt es formal immer noch und seine Kompetenz bei der Gesetzgebung ist erst sehr langsam beschnitten worden) geblieben. Dennoch ist es dort zu einem gewissen Wohlstand gekommen (der auch teilweise durch politische Maßnahmen forciert worden sein konnte).
    Das gegenteilige Beispiel wäre vielleicht Frankreich nach seiner Revolution.

    „[…]und die entsprechend genauso irrational jegliche Veränderung ablehnen (etwa im Fall des Klimawandels).“

    Nur eine kleine Randbemerkung: Dass der Klimawandel (bzw. die Abwehrmaßnahmen gegen ihn) wirklich dazu beiträgt, die Gesellschaft positiv zu verändern, wage ich zu bezweifeln. Es ist vielleicht eine notwendige und in Anbetracht der Situation moralisch richtige Maßnahme, den Planeten auch für die Zukunft zu erhalten, aber die Verhaltensweisen, die dadurch gefördert werden, sind nicht zwangsläufig gut. (Genauso wie die Verhaltensweisen, die dadurch gefördert werden, dass sich eine große Gesellschaft wie die unsere nur durch Landwirtschaft ernähren kann nicht zwangsläufig gut sind. Und auch das Jagen, um Nahrung zu bekommen, erfordert eher einen rauen, harten Charakter als einen mitfühlenden.)

    Dagegen wird es von einigen Leuten als Bestätigung ihrer Meinung angesehen, dass der Klimawandel nun die Konsummentalität und den dauerhaften Wirtschaftswachstum in Frage stellt. IMHO ist das zumindest teilweise eine Ursache der irrationalen Widerstand gegen den Versuch, den Klimawandel zu vermeiden.
    (Nur um das klarzustellen, ob Wirtschaftswachstum oder „Konsumismus“ nun positiv oder negativ zu bewerten sind ist eine davon völlig unabhängige Frage. Etwas eigentlich wünschenswertes kann nämlich aufgrund eines notwendigen Übels unmöglich umzusetzen sein, während umgekehrt auch böse Taten durch mangelnde Möglichkeit verhindert werden können.)

  7. Was verbinden die Menschen heute mit technischem Fortschritt:
    Jobverlust durch Automatisierung
    Ressourcen werden verändert
    Zerstört die Umwelt
    Verdrängt Lebewesen aus ihrer natürlichen Umgebung
    Kommunikationsfähigkeit sinkt
    Leichtere Kriegsführung durch neue Technologien
    Globalisierung
    Hoher Energieverbrauch
    Der Menschliche Arbeitsrhythmus wird durch Arbeitstakt der Maschine ersetzt
    Zerstörerische Billigenergie ( Geld )
    Quantität statt Qualität
    Raffiniertere möglichkeiten der Überwachung
    usw. usw. usw.

    unsere Medien zelebrieren Katastrophen ( Stichwort Infotainment) lieber als positive Meldungen (only bad news are good news) die Hintergründe dafür sind nicht weltanschaulicher sondern rein marktwirtschaftlicher Natur.

    Das zu ändern wird ist keine steuerpolitische Aufgabe. Das Problem ist viel tiefgehender – es ist eine Geisteshaltung nach welcher es einfach uncool ist positiv zu denken.
    Gruß
    MTom

  8. Wg. meines Vorschlags unterschiedlicher Besteuerung habe ich nochmal ein wenig drüber nachgedacht und meine letztlich daß Ihr recht haben könntet; Hauptgrund ist, daß man nicht sauber verschiedene Themen voneinander trennen kann.
    Man muß aber festhalten daß Inhalte durchaus rechtlich verschiedenartig gehandhabt werden, das Beispiel mit Musik (was auf den Datenträger hinausläuft, der macht hier den Unterschied) war eines, ein anderes ist, daß unter dem Mantel „Kunst“ mehr statthaft ist als unter der reinen Meinungsäußerung oder dem Konsum.
    Auch hier liegt unterschiedliche Besteuerung vor; der Auftritt eines Zirkusclowns z.B. gilt nicht als Kunst, der Auftritt eines Komikers aber schon. Der eine muß 19% zahlen, der andere 7%.
    Das wurde übrigens schon gerichtlich ausgefechtet, die Zirkusvertreter unterlagen.
    Die Machbarkeit meines Vorschlags sollte also rechtlich gar keine Frage sein.

    Aber zum Thema zurück: es ging mir ja nur darum, Anreize dafür zu schaffen daß der wichtige Bereich Wissenschaft&Technik mehr ins Bewußtsein der Bevölkerung tritt.

    Hat jemand andere Vorschläge wie dies effektiv erreicht werden könnte?

    Gruß Alex

  9. @D.: Das ist ein sehr interessanter Gedanke. Diese Leute lehnen also die mögliche technische Lösung ab, weil sie viel lieber den Menschen an sich verbessern möchten. „Wir müssen ganz grundsätzlich was ändern“ ist deren Motto: eine technische Lösung ist eine – aus ihrer Sicht moralisch unangebrachte, ja vielleicht sogar verwerfliche – Abkürzung. Denn wenn man schon ein grosses Problem hat (wie Klimawandel, Energieversorgung etc.), dann kann man dessen Lösung gleich benutzen, um im grossen Aufwisch auch die anderen Probleme der Gesellschaft, die sie zu erkennen glauben, korrigieren.

    Gleichzeitig gibt es natürlich auch Leute, die in jedem nötigen Wandel den ihnen suspekten Versuch anderer sehen, die Gesellschaft zu „verbessern“ – und die entsprechend genauso irrational jegliche Veränderung ablehnen (etwa im Fall des Klimawandels).

  10. Es gibt noch einen anderen, psychologischen Grund:
    Man macht für sein persönliches Scheitern nur allzu gerne andere Leute verantwortlich. Wem diese Masche zu simpel ist, der schiebt das Problem gerne auf „die Gesellschaft“.
    Wenn das erst passiert ist, versucht die betroffene Person, die Gesellschaft zu verändern. Das ist grundsätzlich kein negativer Effekt, denn je nach persönlicher Situation und moralischer Einstellung kann sich die Person dann für eine gerechtere Gesellschaft einsetzen. Es ist natürlich auch das Gegenteil möglich, dass der seine Utopie um jeden Preis verwirklichen will und die Gesellschaft deshalb noch viel schlechter macht…

    Aber das ist nicht das Thema. Wenn man so einer Person nun klar macht, dass man die Lösung für ein wesentliches gesellschaftliches Problem (z. B. Energieversorgung, zu lange Arbeitszeiten etc.) nicht in sozialer Umgestaltung, sondern im Machen neuer Erfindungen sieht, wird so eine Person diese Möglichkeit erst mal verneinen und sie ggf. sogar ablehnen. Stellt sich doch seinen Versuch, die Gesellschaft besser zu machen grundsätzlich in Frage. Da man mögliche technisch Neuerungen niemals so exakt vorhersagen kann wie die etwaigen Auswirkungen gesellschaftlichen Wandels unter heutigen Bedingungen, ist es für den „Fortschrittsleugner“ leicht, die Hoffnung auf den Fortschritt als naives Wunschdenken zurück zu weisen. Psychologisch nützlich ist es ihn auch, daher ist der Anreiz und Wunsch, es zu tun, auch sehr hoch.

    @Alex:

    Ich bin mir sicher, du machst dir gar keine realisische Vorstellung, welche Auswirkungen staatlicher Einfluss im Mediensektor erst mal hätte. Zumal damit ein Dammbruch geschieht, den man nicht mehr zurück nehmen kann.

  11. Hallo UMa – da hatte ich wohl falsche (Europa) bzw. veraltete (USA) Zahlen im Kopf, vielen Dank für den Hinweis und den Link.

    PS: Diese Seite ist wirklich interessant. Das lässt mich jetzt gerade darüber nachdenken, ob und wann ich denn meine Arbeit am „Referenzmodell“ (aus dem astronews.com-Forum) wieder aufnehmen könnte…

  12. > niemand würde eine Steuererhöhung bekommen
    Genau davon hast du doch aber die ganze Zeit gesprochen, oder nicht? Zumindest in deinem ersten Beitrag stand dazu: „Der Staat könnte das sogar anregen: indem die Besteuerung einer Zeitung von der Stellung solcher Themen abhängig gemacht wird. Das könnte noch den hübschen Nebeneffekt haben daß Schundblätter teurer würden.“

    > Große Autos kosten auch höhere Steuern, was Bürger in ihrem Recht auf Freizügigkeit behindert
    Das ist so nicht richtig, man kommt mit jedem Auto vom Fleck. Einfluss auf die Freizügigkeit nimmt man erst, wenn man zB beim Übergang zwischen den Bundesländern Steuern verlangen würde. Das wäre ein passender Vergleich.

    Zumal du hier ein Beispiel bringst, von dem ich auch kein Fan bin. Wer ein dickeres Auto fährt, zahlt ohnehin schon beim Sprit seine Öko-Steuer.

    > Musik (und damit deren Textinhalte) wird immernoch mit der vollen USt. belangt, im Gegensatz zu anderen Werken.
    Auch dieses Beispiel hinkt. Ein passenderes wäre es, wenn verschiedene Musikrichtungen aufgrund pädagogischer Wertigkeiten unterschiedlich besteuert würden. Denn Lyrics und Zeitungsinhalte sind zwei völlig unterschiedliche Dinge – nämlich Kunst und Information.

    In unserem Fall reden wir aber davon, unterschiedliche journalistische Kategorien, die in ihrer Wesensart als Information identisch sind und sich nur im Thema unterscheiden, als unterschiedlich förderwürdig einzustufen. Damit wird direkt abhängig vom Inhalt eine Bevorzugung oder Benachteiligung induziert. Und dieser Eingriff geht zu weit.

    > Abe rmal ganz ehrlich: stell Dir mal vor man hätte bei S21 ein Plebiszit durchgeführt und es wäre ein Sieg von S21 rausgekommen. Glaubst Du ernsthaft, die „Wutbürger“ da draußen hätten das akzeptiert und wären dann nach Hause gegangen?
    Viele bestimmt nicht. Alle, die Demokratie verstanden haben, dagegen schon. Auch wenn man dann anfangen kann, darüber zu diskutieren, in wie fern die Befürworter auf politischer Ebene bereits durch die Investition von Unsummen in PR-Heftchen etc. das Meinungsbild der Bevölkerung mit Halbwahrheiten infiltriert und dementsprechend evtl. verzerrt haben. Aber darum soll es jetzt nicht gehen.

    Auf jeden Fall haben wir bisher noch keine Chance erhalten, direkt herauszufinden, wie sich der Großteil der Bürger in so einem Fall verhalten würde.

    Mir ist der Unterschied zwischen einer representativen und einer direkten Demokratie übrigens sehr wohl bewusst. Sich aber einfach damit abzufinden, dass sich gewählte Vertreter nach ihrer Wahl komplett über den Willen des Volkes hinwegsetzen, führt die Vorstellung, dass der Volk der Souverän ist und seine Vertreter in seinem Namen handeln, völlig ad absurdum.

  13. @Commentator:
    Du wiederholst, was ich längst so als mißverstanden erklärt habe.

    @Tomalak:
    Ich lasse Deine Annahmen darüber wie sich sowas entwickeln würde mal so stehen, sehe den Vorschlag aber auch bei Dir noch nicht als völlig verstanden an; niemand würde eine Steuererhöhung bekommen, kein Inhalt würde eingeschränkt werden, sondern der Staat würde von seinem Recht gebrauch machen förderwürdiges zu lenken. Große Autos kosten auch höhere Steuern, was Bürger in ihrem Recht auf Freizügigkeit behindert – so könnte man argumentieren. Ist natürlich auch Blödsinn.

    De Fakto macht der Staat sogar schon Unterschiede in der Besteuerung je nach Inhalt. Musik (und damit deren Textinhalte) wird immernoch mit der vollen USt. belangt, im Gegensatz zu anderen Werken.
    Ist das Einflußnahme auf den Inhalt? Nein.

    Was nochmal S21 angeht, so liegt da auch ein unterschiedliches Verständnis von Demokratie vor. Demokratie ist nach meinem Verständnis die Wahl einer Diktatur auf 4 Jahre. Das ist nicht so schlecht wie es sich anhört, eine Regierung braucht Macht um Dinge verwirklichen zu können. Und in welcher Richtung sie verwirklichen will sollte ja bekannt sein; hat sie gelogen, wählt man sie halt ab.
    Anders in einer Demokratie, die Plebiszite vorsieht, was ich sehr befürworte. Da ist tatsächlich Einflußnahme der Bevölkerung vorgesehen.

    Abe rmal ganz ehrlich: stell Dir mal vor man hätte bei S21 ein Plebiszit durchgeführt und es wäre ein Sieg von S21 rausgekommen. Glaubst Du ernsthaft, die „Wutbürger“ da draußen hätten das akzeptiert und wären dann nach Hause gegangen?

  14. @ Daniel , nein das Zeitalter der Globalen finanzmärtke steuert mit überhöhter geschwindigkeit auf eine echt harte wand zu .

  15. Du denkst also nur an große Zeitungen, und ich glaube, damit machst du es dir zu einfach. Das Problem ist nämlich, dass es genug tagesaktuelle Zeitungen und Zeitschriften gibt, die generell keinerlei solche Berichte haben, die sie auf die erste Seite stellen könnten. Wie gehst du damit um? Du kannst sie nicht dafür „bestrafen“, indem du sie höher besteuerst, weil das Einflußnahme auf den Inhalt wäre. Und wenn du sie ausklammerst, werden alle anderen Zeitungen benachteiligt bzw. fühlen sich bevormundet, mit dem Ergebnis, dass am Ende weniger Zeitungen als vorher über Wissenschaft berichten werden, weil ihnen das zu doof wird. Egal, wo du ansetzt: du gewinnst nichts.

    Die 7% Umsatzsteuer sind mit der Besteuerung, die du vorschlägst, übrigens nicht zu vergleichen, weil die auf alle Produkte erhoben werden und indifferent sind.

    Als staatliche „Werbung“ würde ich informierende Öffentlichkeitsarbeit übrigens nicht bezeichnen, weil hier keine Verkaufsabsicht im Spiel ist 😉 Anyway, in richtiger Form dargeboten wird so etwas IMO durchaus ernst genommen und ist ganz sicher nicht teurer, als lauter Zeitungen täglich dahingehend zu überprüfen, in welcher Reihenfolge welche Themengebiete abgedeckt werden und dementsprechend eine Besteuerung anzusetzen.

    Und selbst wenn das nicht funktioniert, es war ja nur ein Beispiel. Ein anderes wäre, wenn in der Schule der Zusammenhang zwischen Wissenschaft und Praxis ein wenig mehr im Vordergrund stünde. Auch wenn man hier aufpassen muss, dass man den Schulen nicht zu viel zumutet, die müssen mit relativ wenigen Mitteln nämlich schon ziemlich viel abdecken. Vortragsreihen für Laien mit freiem Eintritt sind noch ne andere Möglichkeit. Dokumentationen auf öffentlich-rechtlichen Sendern gehören durchaus auch in die Kategorie. Und es gibt bestimmt noch mehr, wenn man sich Gedanken drum macht. Und wenn du jetzt sagst, dass man damit doch eh niemanden erreicht: wieso denkst du überhaupt, dass du einen nennenswerten Anteil der Bürger erreichst, wenn du nur auf Zeitungen Einfluss nimmst? Zeitungsleser (mal von BILD-Lesern abgesehen) gehören doch eh schon zum überdurchschnittlich informierten Teil der Bevölkerung. Willst du als nächstes den Sat1-Nachrichten vorschreiben, was sie zu bringen haben, weil sie einen größeren Einfluss auf den Rest haben? Tatsache ist, dass der Staat genug Möglichkeiten hat, Informationen anzubieten (aufzwingen kann man sie ohnehin keinem, der sie nicht will), ohne sich privater Journalismus-Strukturen bemächtigen zu müssen und sich grundrechtlich aufs Glatteis zu stellen.

    Das Grundproblem, dass unsere Gesellschaft zu Spezialisten verkommt, die von jeweils anderen Gebieten keine Ahnung haben, ist eines unserer Hauptprobleme und wird sich mit einfachen Mitteln schlicht nicht bekämpfen lassen. Es gibt nämlich mittlerweile so unglaublich viel, was man eigentlich wissen sollte (und es wird ständig mehr), da kommen die meisten Menschen schlicht nicht mehr mit. Und du kannst niemanden zwingen, sich zu informieren, so schön das manchmal auch wär – auch bei politik-bezogenen Diskussionen usw.

    @S21: wieviel „Macht“ der zivile Ungehorsam hat, siehst du ja daran, wie wenig er in diesem Fall bewirkt. Wir haben gesehen, wie weit politische Ignoranz reicht, und wenn wir den Einfluss „dringend brauchen“, nützt er uns auch schon lang nichts mehr.

    Das zusätzliche Geld, das der Krawall verschlingt, können wir uns bei zukünftigen und ähnlich sinnlosen Prestige-Projekten vielleicht wieder einsparen, wenn die Politik von vornherein ein bisschen sensibler auf den Bürgerwillen reagiert. Aus dem Grund ist es bei S21 NICHT einfach damit getan, die Regierung abzuwählen (man muss ja von Glück reden, dass das zu dem Zeitpunkt überhaupt möglich war) und dann zuzusehen, wie der Unsinn dennoch seinen Lauf nimmt. Lächerlich macht man sich nur, wenn man lautstark den Baustopp fordert und dann auf einmal nichts mehr sagt, sobald die alte Regierung weg ist.

  16. obwohl ich mir stark wünschen würde das zeitungen die die breite masse liest mehr wissen enthalten , kann mann sowas nicht machen , ihc meine stelle dir vor :

    BRAVO ; In dieser Ausgabe wie baut man eine Atombombe ( Uran nicht enthalten)

    mal ehrlich wie stellst du dir das vor , soll dann das fernsehprogramm dafür zahlen , oder nur bestimmte zeitschriften , was sind bestimmte zeitschrifteb,,,,, etc etc etc

    Da verwickelt man sich sehr schnell.
    Ich denke die Pressefreiheit (wie auch immer sie real ausehen mag ) eines der höchsten güter ist die es heute gibt , man sollte sie nicht anfassen.

    Auserdem , Wenn es nur noch nerds gibt wer kümmert sich dann ums fortbestehen der Menscheit ?

  17. Du verstehst es immernoch nicht so wie ich es meinte.
    Es werden ja bereits Steuern erhoben. Auf Zeitungen z.B. 9% USt. Es würde nichts zusätzlich erhoben werden und niemand muß einen Artikel über irgendwas umschreiben. Es ginge nur darum, zu fördern daß wissenschaftlich-technische Berichte z.B. bei einer Zeitung öfter mal auf der Ersten oder zweiten Seite landen. Auf den Inhalt selbst würde keinerlei Einfluß genommen werden, er bliebe absolut identisch. Es geht mir hier auch wie gesagt eher um Tageszeitungen und Newsportale.
    Staatliche Werbung ist unsinnig, die nimmt keiner ernst und kostet nur einen Haufen Geld.

    @S21: Aber der zusätzliche Aufwand – nämlich das Schlichtungsergebnis – bewirkt ja gerade den Weiterbau. Und das ärgerlichste: der ganze Krach kostet ja auch einen Haufen Geld, schon alleine durch die Verzögerung.
    Ich bin der Meinung daß es natürlich zu den Bürgerpflichten gehört, auf die Straße zu gehen wenn Frieden, Freiheit oder Demokratie gefährdet sind. Aber nicht bei Projekten einer gewählten Regierung; dann soll man die abwählen und das ist ja auch geschehen. Aber wenn wirtschaftspolitik auf der Straße stattfindet ist das bedenklich. Geht man wegen jedem Käse auf die Straße, macht man den zivilen Ungehorsam an sich lächerlich und nimmt ihm Einfluß und Ruf wenn man ihn vielleicht mal dringend benötigt.

    Gruß Alex

  18. Sobald du eine Steuer für nicht als wertvoll erachtete Publikationen erhebst, nimmst du selbstverständlich Einfluss auf die Inhalte, und das ist grundgesetzwidrig. Du kannst einen Artikel über Britney Spears nicht so darstellen, dass der Leser dabei was über die Funktionsweise von Funkstrahlung lernt. Wenn du aber unbedingt einen Artikel über Brintey Spears schreiben willst, hat der Staat kein Recht, dafür dann Geld zu verlangen. Der Staat darf gegenüber der Presse nur dann eingreifen, wenn es sich um Verleumdung etc. also um Straftaten handelt, ansonsten hat der sich da komplett rauszuhalten. Zumal du dann ernsthaft Probleme bei der Grenzziehung bekommst, weil du dann nur noch kurz davor bist, virtuelle Inhalte ebenfalls zu besteuern, und damit wäre die gesamte Bloggerszene kaputt.
    Darüber hinaus müsste erstmal einer entscheiden, welche Inhalte wertvoll sind und welche nicht. Gesellschaftstheoretische Artkel sind zB für die geistige Weiterentwicklung der Menschheit genauso relevant wie technisch-wissenschaftliche. Und viele andere Richtungen mit Sicherheit auch, an die man im ersten Moment nicht denkt. Also Finger weg von der Pressefreiheit, bitte, auch wenns nur um wohlgemeinte Anreize geht 😉 als Staat in Form von Öffentlichkeitsarbeit selbst tätig zu werden ist da viel sinnvoller.

    Ach, und dass es die Franzosen mit ihrem eigenen Grundgesetz nicht so ernst nehmen, weiß man ja spätestens seit der großangelegten Zigeuner-Abschiebung 😉

    @S21: das Problem sind wie gesagt nicht Großprojekte allgemein, sondern dieses spezielle. Der Kampf, der da tobt, ist nicht „Volk gegen Fortschritt“, sondern „Volk gegen bürgerferne Politik und Lobbyismus“, und der rechtfertigt IMO jeden zusätzlichen Aufwand, um diesen Wahnsinn zu stoppen.

  19. Ich glaube Du hast mich mißverstanden;
    Es geht nicht um Beeinflussung der Inhalte, sondern um einen Anreiz wie sie präsentiert werden sollen. Was geschrieben wird bliebe nach wie vor völlig frei und müssen müßte man sich auch nicht dran halten.
    Es wäre lediglich die staatliche Entscheidung zu sagen „wissenschaftlich-technische Inhalte sind gesellschaftlich wertvoll und sollen gefördert werden“.
    So etwas geht problemlos; wenn Frankreich ohne Ärger zu bekommen sagen kann daß 51% des Radioprogramms französisch sein muß…

    Ich bin übrigens auch kein Freund von S21, was aber mehr daran liegt daß ich es als Mannheimer nicht verstehen kann daß ständig irgendwelche Milliardensummen nach Stuttgart gesteckt werden. Mit der Erhöhung des Aufwands haben sich die S21-Gegner in meinen Augen aber lächerlich gemacht.
    Als Thema taugt es hier aber trotzdem, weil die Bahn (und ehem.Landesregierung) ja durchaus argumentiert, daß man sich Sorgen um die allgemeine Durchführbarkeit künftiger Großprojekte machen muß.

    Gruß Alex

  20. Dem stimme ich im Großen und Ganzen zu, allerdings würde ich gerne zwei Dinge anmerken:
    1. Als gebürtiger Stuttgarter und somit direkt Betroffener kann ich dir versichern, dass gegen den Umbau des Hauptbahnhofs wesentlich triftigere Gründe stehen als Fortschrittsverweigerung. De facto handelt es sich mit dem Tiefbahnhof mämlich um einen Rückschritt, und einen ziemlich teuren und hässlichen noch dazu.
    2. Zur inhaltabhängigen Besteuerung: es ist glaub ich besser, wenn der Staat heute wie in aller Zukunft keinerlei Einfluss auf journalistische Inhalte nimmt 😉

  21. Fortschritt findet nur in kleinen Schritten statt, gleichzeitig muss auch ein Ertrag in kurzer Zeit realisiert werden.
    Die Staaten sehen sich gezwungen Forschungsgelder zu kürzen, damit sie ihre Schuldenwirtschaft weiterhin bedienen können. Die US Schulden belaufen sich auf über 14 Billionen Dollar. Mit der Summe der Zinslast könnten einige Forschungsbereiche gefördert werden.
    Investoren sehen nur wenige Gewinnaussichten bei Forschung und Entwicklung und überlassen diesen Bereich der staatlichen Förderung.
    Das Zeitalter der bemannten Raumfahrt geht zu Ende.
    Das Zeitalter der globalen Finanzmärkte ist angebrochen.

  22. Ich glaube es gibt zwei große Probleme, die die meisten Menschen mit dem zukünftigen Fortschritt haben;

    Problem Nr.1 ist das geringe Wissen über die aktuelle Forschung, auch das geringe Interesse dafür. Symptom ist, daß der Bereich „Wissenschaft“ bei den meisten Zeitungen nud Nachrichtenseiten ziemlich weit hinten anzutreffen ist. Dabei entscheidet doch genau das unser Leben mehr als alles andere. Die Redakteure trifft da keine Schuld, da werden ja nur die Prioritäten der Leser wiedergegeben.

    2. Die meisten Menschen verklären sich eine Welt ohne Technik als romantischer und schöner. Zu sehen ist das beim Widerstand gegen aktuelle Großprojekte, sei es beim Stuttgarter Bahnhofsumbau (finanzielle Gründe können es ja nicht sein, der Kompromißbahnhof ist ja sogar teurer…) oder dem Widerstand wenn man erfährt daß ein Dorf ein paar Windräder ins Panorama gebaut werden – wo sich jeder halbwegs vernünftige Mensch doch fragen muß was denn nun wichtiger ist: die Versorgung unserer Zivilisation mit Energie oder ein hübscher Ausblick, zumal letzteres ja nur Geschmackssache ist; ich finde diese Windparks aufregend und schön, das hat immer ein wenig was von Science Fiction 🙂

    Die Fortschrittszweifler haben leider auch einiges an Futter bekommen in den letzten Jahren, sei es Fukushima („Die Natur und Kernkraft ist nicht beherrschbar“ (das mag sein, aber ist es ein Hinderungsgrund weiterzuforschen ums besser zu machen?)), seien es explodierende Kosten beim ITER („unsinnige, teure Großprojekte die niemandem was bringen“) oder den Verzögerungen was andere Technikprojekte angeht (z.B. beim Airbus A380).

    Angesichts dessen, daß man nichtmal mehr die gebräuchlichste Technik annähernd versteht stellt sich bei vielen glaube ich auch eine Art Resignation ein. Früher zum Beispiel wußte jeder halbwegs, wie man beim Auto den Vergaser ausbaut und reinigt wenn der Wagen mal wieder zu lange stand. Heute kann man oft nichtmal die Reifen wechseln weil das Auto dafür neue Treiber braucht (bei BMW – kein Witz – verweigert der Wagen den Dienst wenn keine zertifizierten Reifen dran sind).

    „Jede neue Technik ist anfangs nicht von Magie zu unterscheiden“ trifft da im Moment vor allem das, was Smartphones leisten. Das ist absolut Raumschiff Enterprise-Niveau. Eher schon darüber. Einen Boom, diese sagenhafte Technik verstehen zu wollen gibt es trotzdem nicht, BWL und Jura, klassische Verwalterberufe, sind immernoch mit die begehrtesten Studienfächer. Und wenn jemand Medizin studiert, dann meist eher im Hinblick auf eine eigene gemütliche Praxis als in die Forschung zu gehen.

    Im Prinzip müßten die Medien den Anfang machen und den Bereich Wissenschaft und Technik ganz nach vorne packen. Der Staat könnte das sogar anregen: indem die Besteuerung einer Zeitung von der Stellung solcher Themen abhängig gemacht wird. Das könnte noch den hübschen Nebeneffekt haben daß Schundblätter teurer würden.

    Gruß Alex

  23. Ich muss ehrlich gestehen, dass du hier eine Form von Fortschrittsleugnung beschreibst, die mir noch nicht begegnet ist. Gerade dadurch, dass allein in den letzten 30 Jahren auf fast allen Gebieten weitreichende Veränderungen bis ins tägliche Leben hinein stattgefunden haben, lässt sich weiterer Fortschritt von keinem normal denkenden Menschen verleugnen. Das Einzige, dem ich öfters begegne, ist eine gesunden Skepsis, die sich auf die Frage bezieht, ab wann neue, fortgeschrittenen Technologien effizient eingesetzt werden können, was Fortschritts-Fanatiker (die es durchaus auch gibt) etwas bremst. Was durchaus sinnvoll sein kann:
    1. sind neue Technologien oft längst nicht so weit optimiert, dass sie wirklich viel effizienter sind als bereits eingesetzte.
    2. fehlen schlicht die Ressourcen, regelmäßig von heut auf morgen alles umzukrempeln, sodass es sehr angebracht ist, zu entscheiden, wie lange „veraltete“ Technologien noch im Einsatz bleiben.
    3. fehlt oft die Erfahrung mit neuen Technologien und damit u.a. eine gewisse Zuverlässigkeit. Zumal man entsprechende Fachpersonale andauernd umschulen müsste.
    4. müssen in Neuentwicklungen wirklich horrende Gelder fließen, bis sie einsatzbereit sind, sodass sich überstürztes Handeln verbietet und stattdessen eher langfristige Planung erforderlich ist.

    Ich bekomme das selber mit, weil ich im fortgeschrittenen Stadium Physik studiere und mittlerweile einen Eindruck darüber bekomme, an welchen Stellen überall an Grundlagen geforscht wird (zur Zeit bekomme ich das besonders im Bereich der Nanoelektronik mit, weil ich mich darauf grad ein bisschen spezialisier) und in welcher Art und Weise sich das vielleicht in 30, 40 Jahren in realen Anwendungen ausnutzen lässt. Natürlich ist die Forschung recht unterfinanziert, aber sie findet dennoch statt und das in erster Linie dank engagierter Leute, die bereit sind, für ihre Forschungen von überall her Geld einzusammeln.

    Das Problem hat der Commentator glaub ich richtig getroffen. Am Fortschritt zweifelt keiner. Auch die „alten Säcke“ nicht mehr. Es will ihn nur keiner bezahlen. Eintreten wird er dennoch.

  24. da hat wohl jemand deus ex human revolution durchgespielt 😀
    http://www.youtube.com/watch?v=OdHLJ92aSto&feature=results_video&playnext=1&list=PLD9964BB05FD97183 (spoiler)

    ich sehe die situation ähnlich , Als Schüler merke ich ein sehr starkes gefälle beim zukunftsglauben bei Lehrern (nach dem alter ).

    Es ist aber auchs o das die entwicklung heute subtiler verläuft.
    tatsache ist doch unsere IT technologie hat in den letzten 20 jahren quantensprünge volbracht , digitale fotographie , internet, tomographen die liste ist sehr lang..

    Das problem der Raumfahrt ist nicht das fehlende potential für verbesserung und fortschritt das ist gegeben ,Beispiele sind hier Skylon (wie im Bild ) und biegelow aerospace mit entfaltbaren raumstationen , es geht doch letztlich um das langsame versagen des Kapitalismus , der jeglichen vorschlag eines nicht sofort amortalisierenden Fortschrittes sofort absaufen lässt.
    Das merkt man schon am heutigen denken , Ich darf an die Reden von JFK errinrn :

    ZITAT:
    „All this will not be finished in the first one hundred days. Nor will it be finished in the first one thousand days, nor in the life of this Administration, nor even perhaps in our lifetime on this planet. But let us begin.“

    heute ist alles das nicht sofort gewinn abwirft zu vergessen traurig aber wahr , und staaten haben einfach nicht mehr die mittel um viel zu bewirken .

    Nicht der Forschirtsgalube fehlt sondern die Finanzierung des gleichen

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