Das 1×1 des Asteroiden-Bergbaus

asteroidenbergbau
Künstlerische Darstellung von Asteroidenbergbau auf einem erdnahen Asteroiden (Quelle: NASA/Denise Watt).

Bergbau auf Asteroiden? Das ist doch Science-Fiction! Stimmt – aber vielleicht nicht mehr sehr lange. Nicht zuletzt seit die USA im Herbst 2015 ein neues Gesetz verabschiedet haben, das unter anderem den Verkauf von Weltraum-Rohstoffen auf der Erde (in den USA) regelt, ist das Interesse am Abbau von Rohstoffen jenseits der Erde wieder in das öffentliche Bewusstsein zurückgekehrt. In diesem Artikel erfährst du in Antworten zu acht häufigen Fragen, worum es dabei genau geht.

1. Was sind Asteroiden?

Asteroiden sind Kleinkörper aus lockerem Gestein und Metall, mit Durchmessern zwischen ein paar Metern bis hinauf zu einigen hundert Kilometern. Die grossen unter ihnen sind überlebende Bausteine der Planetenbildung aus der Frühzeit des Sonnensystems, die kleineren sind Trümmer, die seither bei Kollisionen entstanden sind. Alle Asteroiden umkreisen die Sonne, viele – aber längst nicht alle! – von ihnen im sogenannten Asteroidengürtel zwischen Mars und Jupiter. Im Zusammenhang mit Asteroiden-Bergbau sind vor allem die sogenannt „erdnahen“ Asteroiden von Interesse, deren Bahnen sich in der Zone der terrestrischen Planeten (Merkur, Venus, Erde, Mars) befinden. Die Bahnen dieser erdnahen Asteroiden sind nicht langfristig stabil. Nahe Vorbeiflüge an den terrestrischen Planeten können sie hinaus in den interstellaren Raum katapultieren, oder aber sie stossen früher oder später mit der Sonne oder einem der terrestrischen Planeten zusammen. Nach ein paar 10 Millionen Jahren wären alle weg – es gibt sie bloss deshalb, weil aus dem Asteroidengürtel ständig neue Asteroiden nachgeliefert werden.

2. Welche Arten von Rohstoff-Nutzung gibt es?

Grundsätzlich kann man sich drei Arten von Rohstoff-Nutzung im All (oder spezifischer auf einem Asteroiden) vorstellen: Erstens die Nutzung eines Rohstoffs direkt vor Ort, also auf dem Asteroiden selbst. Zum Beispiel wäre denkbar, dass man aus verarbeitetem Asteroidenmaterial Ersatzteile für die Maschinen herstellt, mit denen die Rohstoffe abgebaut werden. Zweitens die Nutzung eines Weltraum-Rohstoffs anderswo im All. Hier meint man zum Beispiel den Abbau von Wasser oder Eis auf einem Asteroiden oder Kometen, um daraus Raketentreibstoff herzustellen – der Asteroid bzw. Komet wird so zu einer Art Tankstelle für andere Raumschiffe im All. Eine dritte Möglichkeit der Transport des Weltraum-Rohstoffs zurück zur Erde, zur Nutzung in der irdischen Wirtschaft. Hier denkt man oft an wertvolle Metalle (zum Beispiel die Platin-Gruppen-Elemente), die auf der Erde selten sind.

3. Moment, ein Asteroid oder Komet als Tankstelle? Lohnt sich das?

Raketenantriebe nutzen heute meist flüssigen Wasserstoff (LH2) und flüssigen Sauerstoff (LOX). Eine ganze Reihe von neuen Raketen sollen dereinst flüssiges Methan (LNG) und LOX nutzen: die BFR von SpaceX, die NewGlenn von BlueOrigin, die Vulcan von United Launch Alliance, alle USA; dazu das Prometheus/Calisto Projekt von Arianespace. Allen Stoffen gemein ist, dass sie aus Kohlenstoff, Wasserstoff, und Sauerstoff bestehen – allesamt volatile Elemente, die auf einigen Asteroiden relativ häufig vorkommen: gewisse Meteoriten-Typen enthalten bis zu 15% Wasser und bis zu 5% Kohlenstoff. Treibstoff macht bei chemischen Antrieben mit Abstand den grössten Teil der Masse einer Rakete aus: sie sind in erster Linie fliegende Treibstofftanks und sehen auch so aus. Jedes Kilogramm Treibstoff, das man heute ins All schiesst, kostet pro Kilogramm gleich viel wie die fortschrittlichste Elektronik (Startpreise bewegen sich heute im Bereich 2000 – 10’000 Dollar pro Kilogramm).

Warum nutzt man das nicht schon heute? Die Nutzung von Asteroiden-Wasser oder -Kohlenstoff macht dann Sinn, wenn man damit weiter hinaus ins Sonnensystem will, zum Beispiel zum Mars, denn in die Erdumlaufbahn muss die Rakete ja aus eigener Kraft kommen. Der Markt für Flüge jenseits der Erdumlaufbahn ist sehr klein. Die Herstellung des Treibstoffs muss darüber hinaus insgesamt günstiger sein als der Transport von der Erde her. Mit den fallenden Startpreisen durch Wiederverwendung (die SpaceX BFR soll nur noch ein paar Millionen pro Start kosten) ist das „Business-Modell“ des Asteroiden-Treibstoffs vielleicht schon am Ende, bevor es das erste Mal ausprobiert wurde. Sehr langfristig gesehen wird man das aber sicher eines Tages nutzen – niemand will z.B. Treibstoff von der Erde ins Saturn-System anschleppen.

4. Was hat es mit diesen wertvollen Metallen auf sich?

Gewisse wertvolle Metalle wie Gold, Platin, Iridium, Rhodium und Palladium lösen sich bevorzugt in Eisen-Schmelzen. Als sich der flüssige Eisen-Kern der Erde bildete, wurden diese Metalle deshalb fast vollständig aus dem Mantel ausgewaschen und in den Kern eingebaut. Bei Asteroiden, die nie einen Kern gebildet haben, sind diese Metalle immer noch in der Nähe der Oberfläche zu finden. Einige Asteroiden bestehen sogar überwiegend aus Metall – bei diesen vermutet man, dass es Bruchstücke von Asteroiden-Kernen sind, die entsprechend reich an diesen wertvollen Metallen sein sollten. Die Konzentrationen auf solchen (M- oder X-Typ) Asteroiden können es locker mit irdischen Erzlagerstätten aufnehmen.

Die Frage ist jetzt, kann sich der Aufwand lohnen, diese Metalle von so weit her zur Erde zurück zu bringen? Grundsätzlich ist das denkbar: schaut man sich zum Beispiel den Preis für Palladium an, so beträgt der gegenwärtig (Oktober 2018) rund 1000 Dollar pro Feinunze, oder etwa 32’000 Dollar pro Kilogramm. Vergleicht man das mit den Startpreisen pro Kilogramm weiter oben (2000-10’000 Dollar pro Kilogramm), so fällt auf, dass eine Rohstoff-Abbau-Maschine (inklusive der Infrastruktur, die nötig ist, um diese zu einem Asteroiden zu bringen) nur etwa ihre eigene Masse an Palladium aus dem Asteroiden holen muss, damit sich das ganze lohnt. Bei typischen Häufigkeiten von Palladium müssen dafür pro Kilogramm rund 30 Tonnen (oder 4 Kubikmeter) Eisen-Asteroiden-Material verarbeitet werden. Natürlich würde die Maschine dann nicht nur Palladium, sondern gleich alle wertvollen Metalle extrahieren, also auch Gold, Platin, Rhodium und so weiter.

Natürlich stellt sich dann immer auch die Frage, ob der Marktpreis für diese seltenen, wertvollen Metalle nicht nachgeben würde, wenn plötzlich eine neue Quelle erschlossen würde – oder ob im Gegenteil diese Metalle neue Anwendungen finden würden, die erst bei einem tieferen Preis attraktiv werden.

5. Wie muss man sich den Rohstoff-Abbau konkret vorstellen?

Sicher nicht mit einem Astronauten und einer Schaufel! 🙂 Astronauten sind nicht Teil der Rechnung, sie würden wohl die ganze Operation unnötig aufwändig und teuer machen. Die Rohstoff-Abbau-Maschine sollte autonom operieren und sich, falls nötig, auch weitgehend selbst reparieren können. Oder aber, es müssen genügend dieser Maschinen bereitstehen, falls mal eine ausfällt. Erst für sehr viel spätere Zeiten ist denkbar, dass Astronauten zu einem Asteroiden geschickt werden könnten, um eine ins Stocken geratene Bergbau-Operation wieder in Gang zu bringen. Man wird auch kaum ganze Asteroiden im Weltall hin- und her schieben, also z.B. einen Asteroiden in die Erdumlaufbahn bringen. Da das Bewegen von Masse im Weltraum energetisch teuer ist, muss die Extraktion der Rohstoffe stattdessen auf dem Asteroiden selbst geschehen, und es wird nur das extrahierte, wertvolle Material zur Erde zurück gebracht (wenn dies das Ziel ist: aber auch beim Treibstoff wird dieser wohl vor Ort produziert und dann allenfalls zum Zielort transportiert). Für die Rückführung des Materials ist denkbar, dass es entweder direkt in ein Raumschiff / eine Raumkapsel geladen wird, mit dem es dann auf der Erde landet. Oder aber, dass aus sonst nicht benötigtem Asteroidenmaterial günstige Hitzeschutzschilde gebaut werden, welche das Material beim Wiedereintritt in die Erdatmosphäre vor dem Verdampfen schützen.

6. Was muss man beim Asteroiden-Bergbau sonst noch beachten?

Nicht alle Asteroiden sind gleich interessant. Zum einen ist der energetische Aufwand, um einen Asteroiden zu erreichen (und um von diesem Asteroiden aus das Material zurück zur Erde zu schicken) unterschiedlich gross. Je weiter weg, je exzentrischer (langgezogener) und geneigter die Bahn des Asteroiden, desto schwieriger, aufwändiger und teurer wird es, ihn zu erreichen. Das Mass für diesen Aufwand nennt man das Delta-v, der Geschwindigkeits-Unterschied, der von einem Raketenantrieb geleistet werden muss, um den Asteroiden zu erreichen. Die zugänglichsten Asteroiden sind von der Erde aus für ein Delta-v von ca. 3 km/s zu erreichen. Für Asteroiden im Asteroidengürtel zwischen Mars und Jupiter können es bis zu einigen 10 km/s sein, ebenso für einige erdnahe Kometen. Am besten geeignet sind Asteroiden, die in einer erdnahen, nahezu kreisförmigen Bahn geringer Neigung um die Sonne kreisen.

Natürlich sollte der Asteroid auch eine gewisse Grösse haben, so dass sich der Aufwand lohnt: für einen nur wenige Meter grosser Brocken wird sich der Aufwand niemals lohnen. Aber erdnahe Asteroiden haben Durchmesser von bis zu einigen 10 Kilometern. Bereits ab einem Durchmesser von etwa einem Kilometer enthält der Asteroid mehr Metalle als die Menschheit in ihrer bisherigen Geschichte je produziert hat.

Und schliesslich sollte man wissen, dass wir heute keine wirklich definitiven Aussagen über die Zusammensetzung von Asteroiden machen können: wir können sie zwar mit Meteoriten vergleichen, die ein ähnliches Reflektionsspektrum haben (das Sonnenlicht ähnlich zurückwerfen), aber eindeutige Zuordnungen sind schwierig. Wir müssen noch sehr viel mehr über die Verbindungen zwischen Meteoriten und Asteroiden lernen, bevor wir den Wert eines Asteroiden „voraussagen“ können, ohne ihn vor Ort zu untersuchen.

7. Wie sieht die rechtliche Lage aus?

Eine grosse Mehrheit der Staaten weltweit hat den Weltraumvertrag („Outer Space Treaty“) von 1967 unterschrieben und ratifiziert. Dieser verbietet es Staaten, territoriale Ansprüche auf dem Mond und anderen Himmelskörpern (inklusive Asteroiden) geltend zu machen. Allerdings sind alle Raumfahrzeuge, die ein Staat ins All gestartet hat (oder die vom Territorium eines Staates ins All gestartet wurden) der Rechtsprechung und Verantwortung dieses Staates unterworfen, und der Staat hat auch die Pflicht, die Aktivitäten des Raumfahrzeugs zu regulieren und zu überwachen. Der Bau und der Betrieb von Militärbasen auf den Oberflächen des Mondes und anderen Himmelskörpern ist verboten, ebenso der Test von Massenvernichtungswaffen (nicht aber die Stationierung von Waffen im Allgemeinen). Der Weltraum und seine Himmelskörper sollen allen Staaten offen stehen.

Der Weltraumvertrag verbietet also zumindest nicht explizit den Abbau und die Nutzung von Asteroidenrohstoffen durch Privatpersonen. Der „Mond-Vertrag“, der als Nachfolge-Vertrag zum Weltraumvertrag ausgelegt war, und der genau dies explizit verbieten wollte, wurde nur von einer kleinen Anzahl Staaten unterschrieben und gilt deshalb als gescheitert. Trotzdem existiert hier eine rechtliche Lücke: denn wenn Privatpersonen Rohstoffe nutzen dürfen, wer reguliert und schützt diese Aktivitäten? Sagen wir, zwei Privatpersonen unterschiedlicher Staatsangehörigkeit wollen denselben Asteroiden nutzen – was geschieht dann? Hier besteht Handlungsbedarf. Die USA sind im Herbst 2015 schon einmal vorgeprescht: in einem neuen Gesetz, das später vom damaligen US-Präsidenten Obama unterzeichnet wurde, wird zum ersten Mal US-Bürgern das Recht zugesprochen, Weltraum-Rohstoffe abzubauen und – in den USA – zu verkaufen. Der Gesetzestext beteuert das Bekenntnis der USA zum Weltraumvertrag und hält fest, dass damit keine territorialen Ansprüche auf Himmelskörper gemacht werden. Es ist aber nicht sehr überraschend, dass ausgerechnet in den USA erste Schritte in diese Richtung gemacht werden: es gibt dort mehrere Firmen, die es sich zum Ziel gemacht haben, Weltraum-Rohstoffe zu nutzen.

8. Und wann wird jetzt die erste Asteroiden-Bergbau-Mission durchgeführt?

Gute Frage. In gewisser Weise kann man bereits die wissenschaftlich motivierten Probenrückhol-Missionen, die gegenwärtig laufen (die NASA-Raumsonde Osiris-Rex fliegt zum Asteroiden Bennu, die JAXA-Raumsonde Hayabusa 2 ist beim Asteroiden Ryugu angekommen) als Technologie-Demonstrations-Missionen sehen, wenn auch ohne Extraktion bestimmter Metalle am Zielort. Die Kapazitäten heutiger Raketen sind jedoch noch nicht ausgereift genug, um ein solches Unternehmen profitabel zu machen. Vermutlich braucht es dafür schon diese weiter oben genannte neue Generation von wiederverwendbaren Raketen, die alle in den 2020er Jahren ihre Erstflüge durchführen werden. Ein solches Unternehmen müsste zudem auf der Erde (oder vielleicht noch besser, in der Erdumlaufbahn) zuerst die voll automatisierte Extraktion einer beträchtlichen Menge wertvoller Metalle aus Meteoriten-Material demonstrieren. Die Kombination dieser Technologie mit den geringen Startkosten könnte dann – vielleicht in 10-20 Jahren – zu einer ersten Demonstrations-Mission führen. Die bei dieser Mission geschürften wertvollen Metalle hätten wohl einen vorwiegend symbolischen Wert (Münzen aus Asteroiden-Platin liessen sich wohl zu weit höheren Preisen verkaufen als ihrem Materialwert). Ich würde aber darauf wetten, dass noch vor 2050 die erste kommerzielle Asteroiden-Bergbau-Operation beginnt.

Was meint ihr? Teilt ihr meine Einschätzung, oder seht ihr grundsätzliche Probleme? Schreibt es unten in die Kommentare!

6 Kommentare

  1. Ja, das stimmt wohl . Trotzdem bin ich der Meinung, dass elektrische Antriebe – welcher Art auch immer – effizienter sind als chemische.
    Ich bin halt kein Fan von Raketentriebwerken auch wenn wir sie notgedrungen wohl noch einige Zeit verwenden müssen 😟

    • Zweifellos haben beide ihre Stärken und Schwächen. Mit einem elektrischen Antrieb kommt man nicht von der Erdoberfläche weg… 😉 aber für den Transport zwischen Himmelskörpern im All werden sie sich langfristig durchsetzen.

  2. Warum sollte eine Materiallieferung aus dem Asteroidengürtel eigentlicbh „energetisch teuer“ sein?
    Eine elektrische Startvorrichtung – eine Art Railgun könnte mit relativ geringem Energieaufwand auch grosse Tonnagen in Richtung Erde befördern – zumal die Lieferzeit ja nicht so wichtig ist.

    • Die Railgun müsste einfach das Material zu höheren Geschwindigkeiten beschleunigen als von einem erdnahen Asteroiden aus. Zudem wäre dann das Material, wenn es schliesslich zur Erde fällt, mit einer höheren Geschwindigkeit unterwegs, müsste also z.B. besser gegen den Atmosphäreneintritt geschützt werden. Insgesamt ist die gleiche Bergbau-Operation im Asteroidengürtel teurer und aufwändiger als von erdnahen Asteroiden aus. Wenn uns Jupiter schon Asteroiden vor die Haustür liefert, warum nicht diese nutzen? Zumal sie unseren Rohstoffbedarf für viele Jahrtausende mehr als abdecken können.

      Vielleicht sollte ich hier noch anfügen, dass ich kein Fan der interplanetaren Railgun bin – ein solches System kann leicht auch für militärische Zwecke missbraucht werden und wird entsprechend auf internationalen politischen Widerstand treffen. Eine Rückkehr des Materials in ferngesteuerten Kapseln oder Schiffen scheint mir politisch vertretbarer.

      • Im Prinzip kann man fast jede technische Neuheit für militärische Zwecke missbrauchen – ja es ist vermutlich sogar so, dass Militärs solche Dinge als Erste entwickeln da sie keiner kommerzieller Kosten/Nutzen zu folgen haben.
        Railguns stellen keine besonders komplizierte Technologie dar und sind möglicherweise heute schon in den diversen Arsenalen zu finden

1 Trackback / Pingback

  1. Belegen irdische Edelgase auf dem Mond die Theorie zur Mondentstehung? - Der Papa bloggt das schon

Antworten

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.


*