ClearSky: Ein Abkommen zur Reduktion der CO2-Emissionen im Luftverkehr

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Ein einziger interkontinentaler Flug mit einem Airbus A350-1000 (wohlgemerkt eines der sparsamsten, modernsten Flugzeuge überhaupt) setzt pro Passagier gleich viel CO2 frei wie ein Auto in einem Jahr (Quelle: Airbus.com).

Der Luftverkehr trägt heute ca. 5% zum weltweiten CO2-Ausstoss bei, und (alle weiteren Emissionen wie z.B. Stickoxide eingerechnet) etwa gleich viel zur beobachteten, menschgemachten Erwärmung. Das klingt zwar zunächst nach wenig. Aber auf der Ebene des persönlichen CO2-Ausstosses eines Menschen in einem westlichen Land können Flugreisen schnell zum grössten Beitrag werden. Bei einem typischen Interkontinentalflug verbraucht ein vollbesetztes modernes Flugzeug (z.B. der Airbus A350) etwa 3 Liter Kerosin pro 100 Kilometer und Passagier. Für einen einzigen Flug über 10000 Kilometer und zurück – zum Beispiel zwischen Mitteleuropa und Singapore – summiert sich das auf 600 Liter Kerosin – pro Passagier. Daraus entstehen etwa 1.5 Tonnen CO2 (Annahmen: Dichte Kerosin 0.8 kg/L, 3.15 kg CO2 pro kg Kerosin). Zum Vergleich: der mittlere pro-Kopf-Ausstoss von CO2 liegt in mitteleuropäischen Ländern zwischen etwa 5 und 10 Tonnen pro Jahr. Ein neues Auto (Durchschnitt neu zugelassene Fahrzeuge in der Schweiz, 2017) fährt für denselben CO2-Ausstoss über 11000 km weit. Ein einziger Langstreckenflug setzt also fast gleich viel CO2 frei wie ein Auto über ein ganzes Jahr.

Hier soll aber keinesfalls das Fliegen an sich verteufelt werden. Die Fliegerei hat es einer breiten Bevölkerungsschicht (allerdings vor allem in reicheren Ländern) möglich gemacht, auch abgelegene Winkel der Erde selbst zu besuchen. Das Fliegen bringt die Menschen zusammen, setzt sie neuen Erfahrungen, Begegnungen und Kulturen aus, was so in früheren Zeiten so nie möglich gewesen wäre. Der Tourismus ist ein wichtiger Wirtschaftsfaktor in vielen ärmeren Ländern geworden. Trotzdem ist es absurd, die Auswirkungen des Fliegens auf den Klimawandel kleinzureden. Genauso absurd ist es aber, anzunehmen, dass sich die Menschen künftig zum Verzicht auf das Fliegen überzeugen lassen, wenn man nur lange genug auf sie einredet. Das Ziel sollte stattdessen sein, Lösungen zu finden, um die Klimaschädlichkeit des Fliegens massiv zu reduzieren.

Die Luftfahrtindustrie arbeitet durchaus daran, den Treibstoff-Verbrauch der Flugzeuge mit jeder neuen Generation von Flugzeugen und Triebwerken zu reduzieren.Das hat vor allem wirtschaftliche Gründe: die Treibstoffkosten machen oft den grössten Anteil der Betriebskosten eines Flugzeugs aus. Die ständige Erneuerung der Flugzeugflotten durch sparsamere Modelle hat über die letzten Jahrzehnte verteilt zu einer Abnahme der CO2-Emissionen pro Flugzeug von etwa einem Prozent pro Jahr geführt, aber weil der Flugverkehr in demselben Zeitraum mehr als 5 Prozent pro Jahr gewachsen ist, steigen die Emissionen aus dem Flugverkehr insgesamt trotzdem weiter. Anerkannte Methoden zur Reduktion von CO2-Emissionen wie Emissionszertifikate und CO2-Lenkungsabgaben kommen bei Kerosin heute nicht zum Einsatz (zum Vergleich: in der Schweiz ist zur Zeit eine CO2-Abgabe von 96 CHF/Tonne CO2 in Kraft, von der Treibstoffe und Heizöl ausgenommen sind). Hier sind die Angst vor Konkurrenz aus dem Ausland (die z.B. einer solchen CO2-Steuer nicht unterworfen ist), oder die Gefährdung von Arbeitsplätzen die meistgenannten Gründe.

Eine mögliche Lösung aus diesem Dilemma könnte ein neues, internationales Abkommen sein. Ich nenne es hier „ClearSky“. Staaten, die diesem Abkommen beitreten, verpflichten sich, Lenkungsabgaben auf Kerosin zu erhaben, aber nur auf Flüge zwischen Mitgliedstaaten. Sagen wir, sowohl die Schweiz als auch Norwegen würden einem solchen Abkommen beitreten. Dann würde z.B. auf einen Flug zwischen Zürich und Oslo (1600 km), oder umgekehrt, eine Abgabe von 100 CHF/Tonne CO2 erhoben, was für einen vollbesetzten modernen Airbus A320neo (ca. 2.2 Liter/100 km und Passagier) gerade mal 18 CHF Preisaufschlag für Hin- und Rückflug entspricht. Für ein älteres Flugzeugmodell mit doppeltem Kerosinverbrauch wäre die Abgabe dann eben doppelt so hoch – und entsprechend hoch wäre die Motivation der Fluggesellschaft, dieses Modell schnell zu ersetzen. Die Abgabe gälte für alle Fluggesellschaften, die die Strecke anbieten, ungeachtet von Herkunftsland. Die Beschränkung auf Flüge zwischen Mitgliedstaaten erlaubt es den Fluggesellschaften, international konkurrenzfähig zu bleiben (z.B. gegenüber Airlines aus den USA oder dem arabischen Golf). Der Preis für eine Flugreise zwischen Mitgliedsstaaten wäre zwar etwas höher, aber die Erhöhung ist, gemessen am gesamten Preis, eher moderat. Die Nachfrage würde also zunächst kaum einbrechen.

Aber je mehr Staaten dem Abkommen beitreten, desto grösser wird der Markt für deutlich sparsamere Flugzeuge. Elektrische Flugzeuge für Kurzstrecken sowie synthetische Treibstoffe (entweder aus nachwachsenden Rohstoffen oder direkt aus atmosphärischem CO2 gewonnen, oder vielleicht sogar Wasserstoff) würden plötzlich zu wirtschaftlich attraktiven Alternativen, die auf milliardenschwere Absätze hoffen dürfen. Die Höhe der Abgabe könnte mit der Zeit auch langsam erhöht werden, um diesen klimaschonenden Alternativen definitiv zum Durchbruch zu verhelfen. Die CO2-Abgabe könnte weiter so ausgestaltet werden, dass sie die häufigen Preisschwankungen beim Erdölpreis abfängt: steigt der Erdölpreis, sinkt die Abgabe, sinkt er, steigt sie wieder an – der Endpreis für die Fluggesellschaften bleibt so stets der gleiche. Das sorgt für langfristige Planungssicherheit und hilft so noch einmal der Entwicklung technologischer Alternativen. Die Einnahmen aus der CO2-Abgabe sollten in allen Mitgliedsländern von ClearSky wieder an die Bevölkerung zurück verteilt werden (sonst ist es eine Steuer, keine Lenkungsabgabe), oder zumindest teilweise für die Forschung und Entwicklung neuer umweltschonender Technologien im Luftverkehr eingesetzt werden.

Was denkt ihr? Hat ein Abkommen wie ClearSky eine Chance? Was wären die Folgen? Stellt eure Antworten unten rein!

2 Kommentare

  1. Natürlich will niemand auf das Fliegen verzichten – aber muss das unbedingt mit Düsenflugzeugen passieren? Wie wäre es denn z. B. mit solar oder mittels Brennstoffzellen betriebenen Großraum-Zeppelinen – die wären zwar nicht so schnell wie Flugzeuge mit Staustrahltriebwerken (200 statt 800 km/h), würden andererseits mit zunehmender Größe immer effizenter (Volumen und damit Auftrieb wächst mit der dritten Potenz der Länge!) und könnten einen Luftreise-Komfort ermöglichen, der mehr an eine Schiffskreuzfahrt als an die doch reichlich engen Aluröhren von Boeing oder Airbus erinnert, mit z. B. Kinos, Restaurants oder Konzertsälen an Bord… wäre es wirklich ein so großer Verzicht, etwa nach Mallorca statt zwei Stunden einen halben Tag unterwegs zu sein?

    • @Yadgar: willkommen zurück! 🙂 Grundsätzlich eine tolle Vorstellung. Das Problem bei Zeppelinen ist jedoch, dass der Auftrieb aufwändig zu haben ist: Wasserstoff ist gefährlich, Helium je länger je teurer. Zudem würden gerade der viele Platz und die langsame Reisegeschwindigkeit die Kosten pro Passagier und Flugbewegung in die Höhe treiben. Das heisst, so etwas wäre gegenwärtig wohl höchstens als exklusives Nischenprodukt möglich. Könnte man äusserst leichte, aber super-harte „Vakuumhüllen“ herstellen, sähe das womöglich anders aus…

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