1 Booster, 3 Landungen: was das für SpaceX und Europa bedeutet

BoosterLanding
Ein Booster von SpaceX ist auf dem Drohnenschiff "Just Read the Instructions" gelandet (Quelle: SpaceX / Flickr).

SpaceX hat am 3. Dezember 2018 mit einer einzigen Falcon 9 Rakete ganze 64 (Klein-)Satelliten gestartet, ein neuer Rekord für Flüge von amerikanischem Boden aus. Doch viel wichtiger für die langfristige Entwicklung der kommerziellen Raumfahrt war wohl, dass der „Booster“, die erste Stufe der Rakete, mit diesem Flug bereits zum dritten Mal gestartet – und auch schon wieder erfolgreich gelandet – ist. Während die Raketenstufen von konventionellen Raketen (etwa jene der Ariane 5 des europäischen Betreibers Arianespace) nur einen einzigen Flug absolvieren, bevor sie ins Meer stürzen, kann der Booster der Falcon 9 wieder sanft landen – entweder auf einem Landeplatz nahe der Startrampe oder auf einem sogenannten „Drohnenschiff“ im Meer. Bei letzterem handelt es sich um ein unbesatztes Schiff mit einer grossen Landeplattform. Ein solches Drohnenschiff – mit dem exotischen Namen „Just Read the Instructions“ – kam auch beim heutigen Start zum Einsatz.

Der heutige Start war der 64ste einer SpaceX Rakete und die 32ste erfolgreiche Landung, das heisst, SpaceX hat nun bei der Hälfte aller bisher durchgeführten Raketenstarts die erste Stufe wieder gelandet. Dieser Anteil wird in Zukunft weiter steigen. Das Ziel von SpaceX ist es nämlich, den Booster der „Block 5“-Version der Falcon 9, die gegenwärtig im Einsatz ist, bis zu zehn Mal wiederzuverwenden, bevor eine Generalüberholung notwendig wird. Nun hat also der erste Booster die dritte Wiederverwendung erreicht (und ist nach der erfolgreichen Landung bereit für die vierte!). Man könnte nun sagen, dass das erst ein Drittel der Zielvorgabe ist, aber wenn man sich vor Augen führt, dass die Konkurrenz noch nicht einmal soweit ist, einen Booster auch nur ein einziges Mal wieder zu landen (mit Ausnahme vielleicht der „New Shepard“ von Jeff Bezos‘ Firma Blue Origin, wobei diese Rakete aber zu klein ist, um Nutzlasten in die Erdumlaufbahn zu befördern), dann ist das schon bedeutsam.

Was bedeutet dieser Erfolg für SpaceX? Zunächst einmal bedeutet es, dass sie mit einem Booster sehr viel mehr verdienen können als die Konkurrenz. SpaceX verlangt gegenwärtig 63 Millionen Dollar für einen Start mit der Falcon 9 (und 90 Millionen Dollar für einen Start der grösseren Schwesterrakete Falcon Heavy). Wie gross sind ihre effektiven Kosten, mit anderen Worten, was kostet es SpaceX, eine Falcon 9 zu starten? Dazu gibt es keine direkte Information, aber wir können diese Kosten abschätzen. Gwynne Shotwell, die Präsidentin von SpaceX, meinte einmal, für eine „extreme“ Mission mit der Falcon Heavy, bei der keiner der drei Booster wieder landet, müssten sie 150 Millionen Dollar verrechnen. Aus der Differenz zur nominellen Mission (für 90 Millionen Dollar) ergibt sich also, dass eine Booster-Stufe ca. 20 Millionen Dollar wert ist bzw. kostet. Die Booster-Stufe macht gemäss Elon Musk zwischen zwei Drittel und drei Viertel der gesamten Startkosten aus (darin enthalten sind der Treibstoff, die zweite Stufe, die Nutzlast-Verschalung, die Kosten für die Durchführung des Starts und so weiter), das heisst, ein Start einer Falcon 9 kostet SpaceX wohl effektiv irgendwas im Bereich von 27-30 Millionen Dollar.

Vergleicht man das mit dem Preis, den der Kunde bezahlt, macht SpaceX also mit jedem Start zwischen 33 und 36 Millionen Dollar Gewinn, das ist eine Gewinn-Marge von über 50%! Bei der Wiederverwendung des Boosters geht allerdings ein Teil davon wieder für die Instandsetzung und die verschiedenen Checks drauf, aber gemäss SpaceX sind diese Kosten klein im Vergleich zu den Startkosten. Wenn die Instandssetzung, im Extremfall, gleich viel kosten würde wie ein neuer Booster, wären es bei drei Wiederverwendungen 100 Milllionen Dollar Gewinn. Im anderen Extremfall, wenn die Instandssetzung praktisch nichts kostet, sind es bei drei Wiederverwendungen 140 Millionen Dollar Gewinn. Insgesamt also 100 bis 140 Millionen Dollar. Bei etwa 20 Starts pro Jahr nach gleichem Muster (drei Wiederverwendungen des Boosters) wären das 660 bis 930 Millionen Dollar Gewinn pro Jahr. Mit der Anzahl Wiederverwendungen steigt auch der Gewinn pro Flug weiter. Natürlich muss SpaceX mit diesem Gewinn Ausgaben decken, etwa die laufenden Entwicklungskosten für die Big Falcon Rocket (BFR). Gemäss Elon Musk soll die Entwicklung der BFR insgesamt zwischen 2 und 10 Milliarden verschlingen, das heisst, um dieses Programm ausschliesslich mit dem Start von Falcon 9 Raketen (mit jeweils drei Wiederverwendungen des Boosters) zu finanzieren, wären zwischen 43 und 300 verkaufte Starts nötig, bei 20 Starts pro Jahr also verteilt über etwa 2 bis 15 Jahre. Das erscheint auf jeden Fall nicht völlig illusorisch, zudem SpaceX auch noch auf andere Finanzierungsquellen setzt (wie staatliche Aufträge und die geplante Satelliten-Internet-Konstellation „Starlink“).

Was bedeutet diese Entwicklung nun für die europäische Raumfahrt? Arianespace entwickelt gegenwärtig die Ariane 6, eine Weiterentwicklung ihres gegenwärtigen „Arbeitspferds“ Ariane 5, die sich gegenüber letzterer vor allem durch Verbesserungen bei der Kosteneffizienz auszeichnet. Tiefere Startpreise sollen es Arianespace erlauben, künftig wieder direkt in Konkurrenz mit SpaceX zu treten und verlorene Marktanteile zurück zu erobern. Die Ariane 6 soll vor allem im Markt der geostationären Satelliten glänzen, sie kann in der „64“ Version (die 90 Millionen Euro, oder etwas über 100 Millionen Dollar kostet) bis zu 11.5 Tonnen in den „Geotransfer-Orbit“ (GTO) schicken (für 8900 Dollar pro Kilogramm), während die Falcon 9 „nur“ 8.3 Tonnen in den GTO schicken kann (für 7600 Dollar pro Kilogramm). Ariane 64 soll darüber hinaus auch Satelliten direkt in den Geostationären Orbit (GEO) einschiessen können, was die Falcon 9 nicht kann (wohl aber die Falcon Heavy, die immer noch ein wenig günstiger ist als die Ariane 64).

Doch der grosse Markt für Satellitenstarts im kommenden Jahrzehnt liegt aber wohl ohnehin nicht bei den GTO oder GEO Satelliten, sondern bei den mittelhohen Orbits bis ca. 1200 km Höhe, in denen die drei grossen Satelliten-Konstellationen für das künftige Satelliten-Internet aufgebaut werden sollen (von OneWeb, Telesat, und SpaceX), mit hunderten bis tausenden von Satelliten. Dort kann die Ariane 64 ihre Vorteile nicht gleich gut ausspielen. Sie ist deshalb im Vergleich zur Falcon 9 bzw. Heavy deutlich teurer. Zudem ist die grosse Gewinnmarge von SpaceX eine grosse Gefahr für Arianespace: wenn Ariane 6 Marktanteile zurückgewinnen sollte und SpaceX die Aufträge auszugehen drohen, müssen die Amerikaner einfach ihre Preise etwas senken, um das Pendel wieder in die andere Richtung ausschlagen zu lassen. Nun zeigt sich, dass die Europäer bei der Aufgleisung des Ariane-5-Nachfolgers nicht mutig genug waren: anstatt auf teilweise oder gar vollständige Wiederverwendung und tiefe Fertigungskosten zu setzen, hat man sich darauf beschränkt, mit dem grössten Konkurrenten  SpaceX gleichzuziehen – während dieser bereits an der nächsten Revolution arbeitet.

Was meinst du? Kann Europa noch mit SpaceX aufholen, oder haben sich die Europäer verspekuliert? Wird SpaceX‘ Plan mit der zehnfachen Wiederverwendung aufgehen? Schreib es unten in die Kommentare!

Update 4.12.18: Ich habe den Abschnitt mit den Gewinnen pro Flug angepasst, um klarer zu machen, was ich meine.

Ersten Kommentar schreiben

Antworten

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.


*