Beta Pictoris – Was geschah im November 1981?

Beta Pictoris ist ein sehr junger, sonnennaher Stern, der von einer dichten Staubwolke umgeben ist. In dieser Staubwolke, die wir, von der Erde aus, fast exakt von der Kante her sehen, bilden sich wohl gerade Planeten. Und diese spielten bei dem, was im November 1981 geschah, möglicherweise eine „zentrale“ Rolle…

Beta Pictoris, ein weisser, junger Hauptreihenstern (Spektralklasse A6V), befindet sich etwa 63.4 Lichtjahre von der Erde entfernt. Er gehört zur „Beta-Pictoris-Bewegungsgruppe“, eine Gruppe von ein paar Dutzend Sternen, die alle in etwa gleich alt sind (man schätzt das Alter der Gruppe typischerweise auf etwa 12 (~8-20) Millionen Jahre), deren Bewegung in der Sternentstehungsregion „Scorpius-Centaurus-Association“ ihren Ursprung hat (und deren Aufenthalt in dieser Region aufgrund von Bahnrekonstruktionen ebenfalls etwa 12 Millionen Jahre zurück liegt). Beta Pictoris ist damit einer der jüngsten Sterne in der unmittelbaren Nachbarschaft der Sonne (die typischerweise als die Region innerhalb von 25 Parsec, oder 82 Lichtjahren definiert ist und die rund ~20000 Sterne enthält). Der Stern ist zwar etwas massiver als die Sonne, mit rund 1.75 Sonnenmassen gehört er in etwa in die Klasse von hellen, sonnennahen Sternen wie Sirius, Wega oder Altair.

Im Unterschied zu Sirius und Altair (und ähnlich wie Wega, die jedoch deutlich älter ist) ist Beta Pictoris von einer massiven Scheibe aus Staub und Gas umgeben. Dies weiss man, weil Beobachtungen des Sterns einen klaren Überschuss an Infrarotstrahlung zeigen, was auf die Anwesenheit von „warmem“ Staub hindeutet. Man kann diese Staubscheibe mit heutigen Weltraumteleskopen sogar gut auflösen und erkennen, dass wir sie fast exakt von der Kante her sehen. Diese Aufnahmen zeigen auch, dass diese Scheibe, übertragen auf unser eigenes Sonnensystem, ein vertiables Monster ist: während das Sonnensystem mit dem „Kuiper Cliff“, der scharfen äusseren Kante des Kuipergürtels in etwa 60 Astronomischen Einheiten (AU, entspricht der mittleren Entfernung Sonne-Erde) Entfernung zur Sonne mehr oder weniger abrupt endet (tatsächlich gibt es jenseits noch die Kometen der Oortschen Wolke und vielleicht den einen oder anderen weit entfernten Planeten, aber praktisch alle Masse des Sonnensystems konzentriert sich innerhalb der innersten 60 AU) erstreckt sich die Scheibe von Beta Pictoris auf über 1500 AU!

Der Staub selbst ist dabei nur der Hinweis auf die Anwesenheit von Asteroidengürteln oder vielleicht ausgewachsenen, terrestrischen Planeten. Warum? Staub ist in der Umlaufbahn um einen Stern nicht besonders stabil: ist er zu klein (typischerweise kleiner als 10 Mikrometer bei der Sonne), wird er von Strahlungsdruck und Sonnenwind weggeweht. Ist ein Staubkorn grösser, wird es durch den „Poynting-Robertson“ genannten Effekt auf eine Spiralbahn gezwungen, die es nach einigen 10’000 bis Millionen Jahren mit dem Stern kollidieren lässt (je näher am Stern, desto schneller). Ist der Stern älter als diese Poynting-Robertson-Zeitspanne, muss der Staub irgendwie nachgeliefert werden, und da können miteinander kollidierende Asteroiden (oder Planeten bzw. Planetesimale) sehr gut dabei helfen. Aus der Struktur der Staubwolke lässt sich bei Beta Pictoris auf eine ganze Reihe von verschiedenen Asteroidengürteln schliessen. So scheint es besonders viel Staub in 6.4, 16, 28, 52 und 82 AU Entfernung zum Stern zu geben, was also darauf hindeutet, dass in diesen Entfernungen Asteroiden- bzw. Planetesimalgürtel zu erwarten sind.

Die Zone zwischen 6.4 und 16 AU ist praktisch staubfrei – und seit ein paar Jahren wissen wir auch warum. In dieser Entfernung kreist nämlich ein jupiterähnlicher Planet um den jungen Stern. Beta Pictoris b wurde 2008 als einer der ersten extrasolaren Planeten direkt fotografiert (die Fotografien entstanden allerdings schon 2003). Das kam nicht ganz unvermutet, denn die komplexe Struktur der Staubscheibe war schon zuvor als Hinweis auf die Anwesenheit von zumindest drei Gasriesen interpretiert worden: Einer mit 2 bis 5 Jupitermassen in ca. 12 AU Entfernung, einer mit maximal 0.6 Jupitermassen in 25 AU, und ein weiterer mit maximal 0.2 Jupitermassen in 45 AU Entfernung (Florian Freistetter, der sich als Astronom selbst professionell mit Beta Pictoris beschäftigt hat, beschreibt diese Entdeckungen in einem Beitrag auf dem hervorragenden Astro-Blog Astrodicticum Simplex). Wer will, kann die Details in diesem Preprint nachlesen. Der Planet, der 2008 entdeckt worden ist, passt recht gut zu dem vorhergesagten: er hat in etwa 8 Jupitermassen (6 – 13 könnten drinliegen) und umkreist Beta Pictoris in etwa derselben Entfernung, in der Saturn um die Sonne kreist. Dieser junge Planet strahlt selbst noch so hell, und reflektiert das helle Sternlicht von Beta Pictoris so stark, dass der Planet für unsere Teleskope (in diesem Fall das Very Large Telescope der Europäischen Südsternwarte in Chile) entdeckbar wird. Bis vor kurzem (als ein Planet in einem Orbit um einen Braunen Zwerg fotografiert wurde) war Beta Pictoris b der seinem Stern am nächsten stehende Planet, der direkt fotografiert worden war.

Nun kommt jedoch noch eine spannende Komplexität hinzu. Da der Planet mittlerweile mehrfach fotografiert wurde, konnte die Neigung seiner Umlaufbahn (genauer: Die Neigung der Normalen zu seiner Bahnebene) relativ zu unserer Sichtlinie bestimmt werden: Sie beträgt in etwa 89 Grad, dh, wir sehen seine Bahn ebenfalls (wie die Scheibe) praktisch von der Kante her. Das ist keine Überraschung, denn man denkt ja, dass Planeten in den Staub- und Gasscheiben ihrer Sterne heranwachsen – entsprechend sollten wir sie auch dort finden! Doch „in etwa 89“ Grad ist ziemlich nahe an 90° – was nötig wäre, damit der Planet seinen Stern einmal pro Umlauf bedeckt. Nun sind heute schon über 100 Exoplaneten durch ihren Transit vor ihrem Stern entdeckt worden (und über 1000 Entdeckungen vom Kepler-Weltraumteleskop werden in den kommenden Jahren dazukommen). Transits sind von hohem Wert für die Exoplanetenforschung: nicht nur lässt sich damit die Grösse des Planeten bestimmen, sondern auch seine Atmosphärenzusammensetzung. Doch man muss sich vergegenwärtigen, dass die Chance auf einen Transit mit zunehmender Entfernung des Sterns von seinem Planeten sinkt. Die relative Grösse von Stern und Planet bleibt natürlich gleich, aber die Chance dass die Bahn auf 10 AU (1500 Mio km) Entfernung innerhalb eines Sterndurchmessers (ca. 3 Mio km) mit der Sichtlinie übereinstimmt, beträgt nur gerade etwa tan(3/1500) = 0.0035% R/a, oder 1.5/1500 = 0.1%. Oder mit anderen Worten: Nur einer von rund 30000 1000 Sternen mit einem solchen Planeten sollte auch tatsächlich einen Transit zeigen (aber natürlich ist die Chance für einen Stern wie Beta Pictoris, dessen Staubscheibe wir ohnehin schon von der Kante sehen, deutlich höher). Warum also die Aufregung?

Am 10. November 1981 geschah bei Beta Pictoris etwas seltsames: Die Helligkeit von Beta Pictoris erhöhte sich innerhalb eines Tages etwas, sank danach deutlich stärker ab, kehrte auf das helle Niveau zurück, um schliesslich wieder auf den normalen Wert zurückzufallen. Was war geschehen? Da schon damals bekannt war, dass Beta Pictoris von einer Scheibe umgeben ist, wurde die Möglichkeit des Transits eines Planeten diskutiert (man muss sich klar machen, dass Exoplaneten zu dieser Zeit etwa so exotisch und mit der Aura des Fantastischen behaftet waren wie, sagen wir, SETI oder Warpantriebe heute). Demnach wäre der Planet von einer mehr oder weniger staubfreien Zone umgeben, die für die Aufhellung vor und nach dem eigentlichen Transit verantwortlich wäre. Der Planet selbst, wurde berechnet, müsste einen Durchmesser von etwa 2.3 bis 4 Jupiterdurchmessern haben. Viel zu viel für einen Gasriesen (selbst die kleinsten Sterne sind kleiner), aber für einen Planet mit einem dichten Ringsystem, in dem sich gerade Monde bilden, könnte das gerade etwa passen. Die Entdeckung, dass Beta Pictoris tatsächlich einen Planeten hat, gibt dieser ungewöhnlichen Beobachtung eine ganz neue, faszinierende Dimension: Der Planet würde seinen Stern beim nächsten Transit (der irgendwann nach 2013 – genauer zwischen September 2013 und Dezember 2020 erwartet wird – derjenige von ~1997-2000 wurde offenbar verpasst) wieder bedecken, und wir bekämen die Gelegenheit, die Entstehung eines Mondsystems um einen Gasriesen direkt zu beobachten! Die Entdeckung des Planeten im Jahr 2003, und wieder 2009 und 2010 ist verträglich mit der Hypothese, dass Beta Pictoris b tatsächlich der (vermutete) Transitplanet von 1981 ist. Geht man mit den heute vorliegenden Daten davon aus, dass dem so ist, so kann eigentlich nur noch eine Umlaufbahn mit 8.1 AU Radius und 17.2 Jahren Umlaufzeit korrekt sein – in diesem Fall wird der nächste Transit im März 2016 stattfinden. In den kommenden Jahren werden zusätzliche Beobachtungen die Bahn von Beta Pictoris b immer genauer beschreiben. Schon bald werden wir mit Sicherheit wissen, ob Beta Pictoris b der Transitplanet von 1981 ist, und danach wird es darum gehen, die Bahn so genau zu beschreiben, dass dereinst, in einer Märznacht des Jahres 2016, alle verfügbaren Teleskope der Welt in Richtung Beta Pictoris blicken können…

11 Kommentare

  1. Wäre denkbar dass wir Beta Pictoris b nur deshalb so gut sehen weil er seinerseits eine Staubscheibe besitzt ?
    Passt seine scheinbare Helligkeit mit der erwarteten Große, die wohl etwa im Jupiterbereich liegt, zusammen ? Oder müsste er dafür selbst fast wie ein Stern glühen ?
    Man darf gespannt sein. 🙂

  2. Das ist in der Astronomie absolut üblich: Ereignisse werden nicht nach der Zeit benannt, zu der sie tatsächlich geschehen (diese ist ja oft unbekannt oder kann nur schwer exakt genug bestimmt werden), sondern nach der Zeit, zu der sie auf der Erde beobachtet werden. SN1987A, die grosse Supernova in der Magellanschen Wolke, heisst ja auch so und nicht SN(1987-ca.168000)A.

  3. Hallo Matthias
    „Die relative Grösse von Stern und Planet bleibt natürlich gleich, aber die Chance dass die Bahn auf 10 AU (1500 Mio km) Entfernung innerhalb eines Sterndurchmessers (ca. 3 Mio km) mit der Sichtlinie übereinstimmt, beträgt nur gerade etwa tan(3/1500) = 0.0035%. Oder mit anderen Worten: Nur einer von rund 30000 Sternen mit einem solchen Planeten sollte auch tatsächlich einen Transit zeigen“
    Nein. Die Transitwahrscheinlichkeit (bei Kreisbahnen) ist R/a. R ist der Sternenradius, a die Große Halbachse. Sie ist also 1.5Mio km/1500Mio km=0.001=0.1%. Also einer von 1000 Sternen.

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